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Vom bezahlten Samenspender zum mehrfachen Zahlvater


urbs-media, 11.2.2013: In Deutschland werden gegenwärtig pro Jahr etwa 10.000 Kinder aufgrund einer anonymen Samenspende geboren. Insgesamt wurden in der Bundesrepublik seit 1970 insgesamt etwa 100.000 Kinder im Wege der künstlichen Befruchtung gezeugt.

Um die Nachfrage nach Spendersamen zu decken, werben die deutschen Samenbanken mit der Anonymität der Spender und zahlen pro Spende ein Honorar von etwa 100 Euro. Kein schlechtes Geschäft für die Samenbanken, können doch durch eine einmalige Samenspende bis zu 10 künstliche Befruchtungen durchgeführt werden, die im Durchschnitt jedes Mal 1.000 Euro kosten. So betrachtet ist ein Samenspender für die Samenbank eine echte "Cash-Cow", sorgt er doch mit seiner Spende für einen Umsatz von gut 10.000 Euro.

Anonyme Samenspende gegen Recht auf Kenntnis der biologischen Abstammung

Schon in einem Beitrag Ende Dezember 2006 hatten wir an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass Samenspender ein hohes finanzielles Risiko eingehen, wenn ihre Vaterschaft bekannt wird und das nichteheliche Kind z.B. Unterhaltsansprüche geltend macht oder gar auf sein Erbrecht pocht.

Denn bereits zum damaligen Zeitpunkt war für Kenner der Materie absehbar, dass sich die von den Samenbanken vertraglich garantierte Anonymität der Spender nicht wird durchhalten lassen. Anlass für unsere Prognose war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1989, wonach dem Recht der Kinder auf Kenntnis ihrer biologischen Abstammung Teil des grundrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 31.1.1989 - 1 BvL 17/87).

Das OLG Hamm verbietet anonyme Samenspenden

Dieser erb- und unterhaltsrechtliche Alptraum für die Spender an deutschen Samenbanken ist durch ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamm jetzt Wirklichkeit geworden. Während die Vorinstanz die Anonymität die Samenspender noch als schützenswert anerkannt und die Auskunftsklage gegen die Samenbank abgewiesen hatte (Landgericht Essen, Urteil vom 7.2.2012 - 2 O 260/11), wurde die Samenbank in der Berufungsinstanz jetzt vom OLG Hamm dazu verurteilt, der Klägerin Auskunft über die Personalien des damaligen Samenspenders zu geben. Da half der beklagten Samenbank auch nicht der Einwand, man verfüge mehr als 22 Jahre nach der künstlichen Befruchtung ihrer Mutter nicht mehr über die entsprechenden Unterlagen, weil die hierfür damals geltende Aufbewahrungsfrist von 10 Jahren längst abgelaufen sei (Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 6.2.2013 - 14 U 7/12).

Dem Betreiber der Samenbank droht nunmehr die Verhängung von Beugehaft, wenn er die ihm nicht mehr vorliegenden Unterlagen nicht an die Klägerin herausgibt. Und darin liegt der eigentliche Skandal des Urteils, denn eine gesetzlich normierte 30-jährige Aufbewahrungsfrist von Unterlagen bei Samenspenden gibt es erst seit dem 1.7.2007 (§ 8d Abs. 2, § 13a und § 15 Transplantationsgesetz).

Erneuter Schlag gegen die Reproduktionsmedizin in Deutschland

Für die moderne Medizin ist Deutschland ein eher schlechter Standort. Deshalb ist Deutschland nicht nur Exportweltmeister bei Industriegütern, sondern auch bei Patienten mit unerfülltem Kinderwunsch. Und so wie früher Holland das primäre Ziel für Abtreibungen war, fährt man als Deutscher heute z.B. für die Implantation von Eizellen nach Spanien oder zur Präimplantationsdiagnostik (PID) nach Belgien.

Wie sich die vom OLG Hamm verfügte Aufhebung der Anonymität von Samenspendern auswirkt, kann man exemplarisch an England sehen. Dort ist im April 2005 ein Gesetz in Kraft getreten, wonach durch künstliche Befruchtung gezeugte Kinder Anspruch darauf haben, dass ihnen die Personalien des Samenspenders offenbart werden. Samenspender in Großbritannien müssen daher Unterhalts- und Erbansprüche fürchten. Die englischen Samenbanken suchen sich ihre Spender deshalb überwiegend im Ausland, weil es in England selbst praktisch keine Spender mehr gibt. Ähnliches gilt auch für Schweden, wo bereits im Jahr 2002 ein Samenspender zu Unterhaltszahlungen verurteilt wurde.

Das Ende der Samenspenden in Deutschland

Für Deutschland bedeutet das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vermutlich das Ende der künstlichen Befruchtung durch Spendersamen. Wenn hier nicht der Bundesgerichtshof der Nichtzulassungsbeschwerde der beklagten Samenbank stattgibt und das unsägliche Urteil aus der westfälischen Provinz aus der Welt schafft, wird sich in Deutschland niemand mehr auf das wahnwitzige finanzielle Risiko einer derartigen Behandlung einlassen, und zwar weder als Arzt noch als Samenspender.

Die Leidtragenden dieser neuen Rechtslage sind eindeutig diejenigen Paare, deren Kinderwunsch sich nur mittels Samenspende verwirklichen lässt. Hierbei handelt es sich in Deutschland pro Jahr um gut 10.000 Geburten. Und weil sich zukünftig mit Sicherheit keine deutschen Studenten mehr als Samenspender zur Verfügung stellen, kommt der Spendersamen dann ausschließlich von bildungsfernen Schichten, denen das Risiko von Unterhaltszahlungen mangels eigener finanzieller Leistungsfähigkeit sowieso egal ist.

urbs-media Praxistipp: Da sich die Rechtslage hinsichtlich der in den Spenderverträgen von den deutschen Samenbanken garantierten Anonymität der Spender grundlegend geändert hat, sollten alle diejenigen Personen, die in den letzten Jahren eine Samenspende abgegeben haben, wie folgt reagieren. Widersprechen Sie per Einschreiben mit Rückschein unter Hinweis auf das Urteil des OLG Hamm der Verwendung Ihrer Samenspende und kündigen Sie an, die Samenbank im Falle von Unterhaltspflichten auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen.



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