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Hausdurchsuchungen können in Deutschland auch rein vorsorglich ohne hinreichenden oder dringenden Tatverdacht erfolgen


urbs-media, 17.2.2014: Laut Art. 13 des Grundgesetzes ist die Wohnung unverletzlich. Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden. Dieser Grundsatz gilt als einer der Kernpunke eines Rechtsstaates und niemand soll - so zumindest die Intension der Väter des Grundgesetzes - in seinen eigenen vier Wänden ständig in der Angst leben müssen, wie im dritten Reich oder der ehemaligen DDR jederzeit unangemeldeten Besuch von den Sicherheitsbehörden (Gestapo oder Stasi) zu bekommen.

Nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes ist der Schutz vor Wohnungsdurchsuchungen aber durch zahlreiche Gesetzesänderungen deutlich eingeschränkt worden. Inzwischen muss sich ein Wohnungsinhaber nicht nur auf staatliche Durchsuchungsmaßnahmen, sondern zusätzlich auch auf das heimliche Anbringen von Mikrofonen und Kameras einrichten.

Es trifft doch keine Unschuldigen - oder doch?

Viele Leser werden jetzt einwenden, Durchsuchungen und Lauschangriffe dienten doch ausschließlich unserer aller Sicherheit. Wer sich brav und unauffällig verhält und insbesondere die geltenden Gesetze beachtet, der braucht sich doch vor staatlichen Zwangsmaßnahmen nicht zu fürchten, weil es in Deutschland keine anlasslosen Überwachungsmaßnahmen gibt.

Da kennen Sie unseren Staat und seine Sicherheitsbehörden aber schlecht und ein Strafverteidiger würde jetzt sagen: "Selten so gelacht!" Denn bei keinem Grundrecht klaffen der gesetzliche Anspruch und die Realität so weit auseinander wie beim Art. 13 GG.

Durchsuchungen als erweiterte Überwachungsmaßmahme

Durchsuchungen werden nicht nur zur Aufklärung von Straftaten angeordnet, sondern auch zum Erforschen, ob der Betroffene möglicherweise eine bestimmte Straftat begangen haben könnte. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von § 102 StPO, der die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung regelt.

§ 102 StPO

Bei dem, welcher als Täter oder Teilnehmer einer Straftat oder der Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig ist, kann eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume sowie seiner Person und der ihm gehörenden Sachen sowohl zum Zweck seiner Ergreifung als auch dann vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, das die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde.

Sie haben richtig gelesen: Ausreichend für eine Durchsuchung ist der bloße Anfangsverdacht. Hausdurchsuchungen erfordern also nicht wie sonst im deutschen Strafrecht für Zwangsmaßnahmen üblich einen hinreichenden Tatverdacht (§ 170 StPO) oder gar einen dringenden Tatverdacht (§ 112 StPO).

Polizeiliche Durchsuchungen zur Ausforschung der Lebensumstände

Kommen wir zurück zum Fall eines Bürgers, der sich immer im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften bewegt hat. Nicht zwangsläufig politisch oder moralisch korrekt, aber zumindest juristisch betrachtet ohne Fehl und Tadel. So ein Mensch ist (war) auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy. Und lassen Sie sich hierbei bitte nicht durch die Berichterstattung in den regierungsnahen Medien verwirren.

In Kanada gab es die Firma Azov-Films, die sogenannte Posing-Bilder von Jugendlichen über das Internet verkaufte. Die Staatsanwaltschaft Hannover gibt selbst zu, dass es sich hierbei um Bildmaterial der Kategorie 2 handelte. Also keine strafbare Pornografie, sondern lediglich um moralisch zweifelhafte Darstellungen von wenig bekleideten oder unbekleideten Jugendlichen. Der Besitz oder die Verbreitung derartiger Abbildungen ist hierzulande jedenfalls mit Sicherheit nicht strafbar.

Art. 13 GG ist löchrig wie ein Schweizer Käse

Lassen wir hier einmal alle subjektive Moralvorstellungen beiseite und konzentrieren uns auf das geltende Strafrecht und die Strafprozessordnung. Und schon haben wir hier einen handfesten Justizskandal: Denn nach dem Ermittlungsergebnis der Polizei stand der Herr Edathy nur im Verdacht, Bildmaterial ohne strafrechtliche Relevanz zu besitzen. Wie macht man bei der deutschen Polizei also aus einem ledig moralisch "anstößigen" Verhalten einen echten Kriminalfall?

Ganz einfach: Man erfindet einfach eine Geschichte: Wer legale Bildchen hat, der hat auch bestimmt illegale Bilder und Videos. Und schon rücken dutzende Polizisten und Staatsanwälte gemeinsam mit der Lokalpresse an und stellen Wohnungen, Büros und sonstige Gebäude auf den Kopf, um das zu finden, wofür es objektiv keine belastbaren Hinweise gab! Deshalb waren die Durchsuchungen bei Sebastian Edathy schlichtweg verfassungswidrig! Denn sie dienten nicht der Aufgkärung einer bekannten Straftat, sondern der Ausforschung der Lebensumstände des Herrn Edathy, etwa nach dem Motto: Irgendwas werden wir doch wohl finden!

Auch der Journalist Heribert Prantel kommt in der Süddeutschen Zeitung vom 16.2.2014 im Fall Edathy zu einem für die Strafverfolgungsbehörden vernichtenden Urteil: "Die spekulative und zugleich existenzvernichtende, daher unzulässige Durchsuchung bei Edathy liegt daher hart an der Grenze zur Verfolgung Unschuldiger (§ 344 Strafgesetzbuch). Es handelt sich um ein Verbrechen, das mit Haft bis zu zehn Jahren bestraft wird. Diese harte Strafe ist das Pendant zur Unschuldsvermutung."

Vom Höcksken aufs Stöcksken

Es gibt neben der "Moralkeule Kinderpornografie" mit Sicherheit tausend weitere Gründe, wie man sich in Deutschland verdächtig machen kann. Und zwischen Ihnen und der mit Einbruchswerkzeug ausgerüsteten Staatsmacht befindet sich dann nur eine fragile Haustür!
  • Stellen Sie sich einmal vor, Sie waren im Urlaub in der Schweiz und haben auf dem Auto eine entsprechende Autobahnvignette. Nun kommt ein eifriger Polizist und stellt einen simplen Zusammenhang her: Wer im Urlaub in der Schweiz war, der hat dort vermutlich auch ein Schwarzgeldkonto. Und schon bollern morgens um 6.00 Uhr zehn Uniformierte an ihrer Tür und wollen die angeblichen Kontounterlagen beschlagnahmen.

  • Oder Sie misstrauen den deutschen Kreditinstituten und bezahlen auch größere Anschaffungen generell in bar. Dann sind sie in den Augen unseres Staates entweder ein Bankräuber oder Geldwäscher und müssen ebenfalls mit einer Durchsuchung rechnen.

  • Oder Sie haben sich im Internet abfällig über die Politik in Deutschland geäußert? Dann richten Sie sich schon einmal auf einen längeren Zeitraum ohne Computer ein, denn der wird beim Bundeskriminalamt erst einmal auf Herz und Nieren auf eventuelle Kontakte mit Terroristen untersucht.

Seien Sie wie die Pfadfinder allzeit bereit!

Bei den Pfadfindern gilt das Motto "Allzeit bereit!" Und tatsächlich können die Menschen in Deutschland von diesem Pfadfinder-Motto viel lernen. Eine gesetzlich angeordnete Schonfrist vor nächtlichen Durchsuchungen gibt es nur zu folgenden Zeiten (§ 104 Abs. 2 StPO):
  • vom 1. April bis zum 30 September zwischen 21.00 Uhr und 4.00 Uhr
  • vom 1. Oktober bis zum 31. März wischen 21.00 Uhr und 6.00 Uhr
Nächtliche Hausdurchsuchungen sind nur bei "Gefahr im Verzug" zulässig oder wenn es um das Wiederergreifen eines entwichenen Strafgefangenen geht.

Deshalb sollte sich generell jedermann vor dem Zubettgehen darauf einrichten, dass im Morgengrauen die Staatsmacht vor seiner Tür auftauchen könnte. Und wie gesagt: Hierzu ist noch nicht einmal erforderlich, dass der Verdächtige gegen das deutsche Strafrecht verstoßen hat. Für Hausdurchsuchungen reicht vielmehr die bloße Annahme, man könne bei Ihnen etwas belastendes finden. Und sollten die Sicherheitsbehörden entgegen ihren Erwartungen bei Ihnen nichts belastendes finden, dann verdächtigt man Sie mit Sicherheit, Belastungsmaterial konspirativ beseitigt zu haben und wird deshalb weitere Ermittlungen in Ihrem persönlichen und beruflichen Umfeld anstellen.

urbs-media Praxistipp: Über das Verhalten bei Hausdurchsuchungen informiert das hier verlinkte YouTube-Video des Strafverteidigers und Hochschullehrers Udo Vetter von der Kanzlei Vetter/Mertens aus Düsseldorf. In dem etwa 70-minütigen Video erfahren Sie unter anderem, mit welch abstrusen Vorwürfen Hausdurchsuchungen zuweilen begründet werden.



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