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Fernsehanbieter machen auf Kosten der Anrufer dreistellige Millionengewinne mit undurchsichtigen Telefongewinnspielen


urbs-media, 4.6.2007: Die meisten Fernsehzuschauer haben vermutlich zumindest kurzzeitig schon einmal die Anrufsendungen bei 9live, Sat.1, Pro-Sieben, Kabel 1, DSF, Nick, Viva, Tele 5 usw. gesehen. Im Kern gleichen sich diese so genannten "Call-in-Shows" wie ein Ei dem anderen: Die Moderatoren und Moderatorinnen (teilweise im Bikini-Top, teilweise ab 24.00 Uhr völlig oben ohne) versuchen, mit simpel erscheinenden Fragen möglichst viele Zuschauer zum Mitmachen zu animieren (49 Cent pro Anruf und 99 Cent pro SMS). Dabei mehren sich bei den zuständigen Landesmedienanstalten die Beschwerden von Zuschauern, die sich von den Initiatoren dieser Gewinnspiele schlichtweg betrogen fühlen.

Anrufen, anrufen, anrufen ...

"Nennen Sie Automarken mit dem Anfangsbuchstaben "M" und kassieren Sie für die richtige Lösung 300 Euro", so heißt es z.B. bei einer der Anrufsendungen bei DSF. Auf einer Magnet-Tafel sind dann 6 oder 8 Geldbündel angebracht, die die darunter liegenden Automarken verdecken. Und schon bald nach Sendebeginn wird ein Anrufer ins Studio durchgestellt und gewinnt mit dem Markennamen Mercedes (oder Mazda oder Maybach oder MG oder Mini oder ...) die ersten 300 Euro. Dann bleibt das Telefon für Stunden stumm und es werden allenfalls solche Anrufer durchgestellt, die entweder sofort ohne Nennung einer Lösung wieder auflegen oder die ein bereits bekanntes Lösungswort wiederholen.

Die Zuschauer fragen sich dann zwangsläufig: "Schaut da keiner zu, ruft denn da wirklich keiner an, sind die denn alle nur blöd?" Dabei bauen die Moderatoren zusätzlichen Zeitdruck auf, indem sie mit allerlei Tonsignalen vorgeben, die Sendung würde gleich beendet und der nächste Anrufer werde mit Sicherheit gewinnen. Dieses "Spiel" zieht sich dann wie Kaugummi häufig über Stunden hin und erst ganz am Ende (die ausgewiesene Sendezeit ist häufig schon lange überzogen) wird dann doch noch ein Anrufer ins Studio durchgestellt und darf sich manchmal über weitere 300 Euro freuen.

100.00 Anrufer pro Gewinnspiel sind keine Seltenheit

Medienexperten schätzen den Markt der Telefongewinnspiele in Deutschland auf ca. 600 Mio. Euro pro Jahr. Allein bei 9life gehen bei einem durchschnittlichen Quiz nach Angaben der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) ca. 100.000 Anrufe ein, Kostenpunkt jeweils 49 Cent. Kein Wunder, dass Kritiker der Fernsehgewinnspiele hier von einer zusätzlichen "GEZ-Gebühr für Dumme" sprechen.

Das perfide an der Geschichte: Die Gesprächskosten fallen bei den verwendeten 0137-Nummern auch dann an, wenn der Anrufer nur ein Besetztzeichen hört oder vom Computer aus der Leitung geworfen wird. So kommen bei einzelnen Zuschauern nicht selten 30 oder mehr Euro an vergeblichen Telefongebühren zusammen. Dabei besteht in der Realität kaum eine Chance, mit der richtigen Lösung tatsächlich ins Studio durchgestellt zu werden. Denn im Ergebnis entscheidet offenbar nur die Regie nach eigenem Ermessen, ob und wann ein Anruf durchgestellt wird. Den so genannten "Hot-Button", den Zufallsgenerator, den gibt es in Wirklichkeit wohl nicht.

Staatlich lizenzierte Kaufkraftabschöpfung von ca. 600 Mio. Euro pro Jahr

Glaubt man den Beteuerungen der Bundesregierung, dann sind unsere Minister täglich rund um die Uhr bemüht, dem deutschen Volk zu dienen und dessen Wohlstand zu mehren. Da wird z.B. mit maximaler staatlicher Repression gegen private Wettanbieter vorgegangen, die außerhalb des staatlichen Monopols Sportwetten anbieten. Die scheinheilige Begründung aus Berlin: Man muss die Spielleidenschaft der Bundesbürger bekämpfen, was eigentlich aber nur heißt: Wer sein Geld unbedingt verzocken will, der soll seine mühsam erarbeiteten Euros gefälligst an den Staat und seine Institutionen verlieren.

Ausschließlich ums Verlieren geht es auch bei den Anrufsendungen: Wie beim berüchtigten Hütchenspiel werden die Zuschauer zuerst durch einen kleinen Gewinn angefüttert und dann gnadenlos abgezockt. Neben den Anbietern (Gewinnanteil 30 Prozent) profitiert in erster Linie die Deutsche Telekom von den abgeblockten Anrufen, da der überwiegend in Staatsbesitz befindliche Konzern 70 Prozent der anfallenden Telefongebühren für sich vereinnahmt. Und zusätzlich profitiert auch der Staat unmittelbar von jedem einzelnen Anruf durch die jetzt auf 19 Prozent angehobene Umsatzsteuer. Im Ergebnis wechseln so insgesamt etwa 600 Mio. Euro pro Jahr den Besitzer, wovon der größte Teil unmittelbar oder mittelbar als Steuern oder Telekomgewinne in den Staatsäckel fließen.

Ein Schelm, der Schlechtes dabei denkt

Nicht umsonst schreibt der Medienkritiker Oliver Kalkofe im Januarheft (1/2007) des Magazins Spiegel: "Ein Großteil der Sendestrecken im Privatfernsehen wird inzwischen gefüllt von schlechtausgebildeten Trickbetrügern und mäßig begabten Hütchenspielern, die auf der Straße keine zehn Minuten überstehen würden, ohne verhaftet oder von der Kundschaft niedergeschlagen zu werden." Dann heißt es in dem Spiegel-Artikel weiter: "Debil grinsende Moderations-Amöben auf Neun Live oder DSF, die stundenlang vor einem vollgeschmierten Flipchart stehen und sich den kargen Restverstand aus dem Haarständer labern, um die zuschauenden Nieten im Loseimer der Glotzmasse zum Anrufen und Bezahlen der dreisten Dämlichkeit zu animieren."

Warum geht nun der Staat nicht gegen die organisierte Abzocke in Form von offenbar manipulierten Quizsendungen vor und warum werden strafrechtliche Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft ohne Anklageerhebung wieder eingestellt? Ob die Geschäftsmodelle von 9live, Sat.1, Pro-Sieben, Kabel 1, DSF, Nick, Viva usw. nun wirklich nicht den Tatbestand des gewerbsmäßigen Betrugs erfüllen, dies kann man doch nur feststellen, wenn man die angegebenen Telefonnummern einer Überwachung unterzieht. Dann wird sich vermutlich schnell zeigen, dass nicht ein Zufallsgenerator, sondern ein Knopf im Regiepult darüber bestimmt, wer zu welchem Zeitpunkt aus der Warteschleife heraus ins Studie durchgestellt wird. Die Ermittlungsbehörden sind doch sonst auch nicht so zimperlich mit der Telefonüberwachung, wie gerade erst vor wenigen Tagen die Totalüberwachung des Anwalts von Herrn El Masri gezeigt hat (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 30.4.2007 - 2 BvR 2151/06).

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