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Arbeiten im Niedriglohnbereich bringt den Betroffenen häufig kaum mehr als einen Euro Nettogehalt pro Stunde


urbs-media, 3.7.2006: Aus dem Regierungslager hört man laufend, dass sich Leistung in Deutschland wieder lohnen muss und dass es einen deutlichen Abstand zwischen dem Arbeitslosengeld II und dem Niedriglohnbereich geben soll. In der Praxis sieht es aber völlig anders aus. Denn insbesondere im Niedriglohnbereich zwischen 400 Euro und 800 Euro bleibt vielen Beschäftigten von einem Mehrverdienst über 400 Euro hinaus gerade mal ein Nettolohn von knapp über einem Euro pro Stunde. Was auf den ersten Blick völlig unglaubwürdig klingt, wollen wir nachfolgend anhand einer Musterrechnung beweisen.

Der Kampf der Großen Koalition gegen die Minijobs

Wer im gewerblichen Bereich einen Minijobber beschäftigt, der musste bisher 25 Prozent des Gehalts zusätzlich als Pauschalabgaben abführen. Unter dem Strich kostete eine derartige Teilzeitkraft mit einem Lohn von 400 Euro den Arbeitgeber daher einschließlich der Pauschalsteuer von 2 Prozent insgesamt 500 Euro im Monat.

Mit Wirkung zum 1. Juli 2006 wurden die vom Arbeitgeber zu zahlenden pauschalen Abgaben auf insgesamt 30 Prozent erhöht. Damit steigen die Lohnnebenkosten für die Beschäftigung von Minijobbern monatlich um 20 Euro bzw. um 240 Euro pro Jahr. Im Ergebnis rechnen Wirtschaftsexperten damit, dass als Reaktion auf diese Abgabenerhöhung die Zahl der sozialversicherungsfreien geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland deutlich sinken wird.

Die Alternative: Ein Euro-Jobs für alle

Im Gegensatz zu den für die Arbeitnehmer abgabenfreien Minijobs bis zu einem Einkommen von 400 Euro pro Monat sind Beschäftigungsverhältnisse im so genannten Niedriglohnbereich (so genannte Midijobs) grundsätzlich versicherungs- und steuerpflichtig. Auch hier steigen die Abgaben zum 1.7.2006 deutlich an, was für die betroffenen Arbeitnehmer zu spürbaren Lohneinbußen führt.

Wenn ein Arbeitnehmer z.B. 80 Stunden pro Monat arbeitet und einen Stundenlohn von 5 Euro erhält, dann bekommt er unter dem Strich brutto für netto am Monatsende 400 Euro. Erhöht dieser Arbeitnehmer seine Arbeitszeit um 60 Stunden auf insgesamt 140 Stunden pro Monat, dann erhält er brutto 700 Euro. Nach Abzug der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge bleibt in der Steuerklasse V dann am Monatsende ein Nettolohn von ca. 465 Euro. Mit anderen Worten: Für 60 Stunden Mehrarbeit erhält der Arbeitnehmer nur 65 Euro mehr im Monat. Der Netto-Stundenlohn für die über 80 Stunden hinausgehende Arbeitszeit (60 Stunden) liegt also bei genau 1,08 Euro.

Die Rechnung sieht auch dann nicht viel besser aus, wenn man von einem Stundenlohn von 10 Euro ausgeht. Um hier von 400 Euro auf 700 Euro zu kommen, muss der betreffende Arbeitnehmer seine Arbeitszeit von 40 Stunden auf 70 Stunden erhöhen. Für die Mehrarbeit von 30 Stunden erhält er dann netto einen Stundenlohn von 2,25 Euro.

Arbeiten im Niedriglohnbereich ist für viele Beschäftigte ein Zuschussgeschäft

Wie die vorstehenden Beispiele zeigen, sind die Ein-Euro-Jobs oder Zwei-Euro-Jobs in Deutschland längst nicht mehr für die Bezieher von Arbeitslosengeld II reserviert. Berücksichtigt man zusätzlich, dass durch die Mehrarbeit für die Beschäftigten zusätzliche Aufwendungen entstehen (z.B. Fahrtkosten zum Arbeitsplatz für weitere Arbeitstage), dann wird dem Betroffenen schnell klar, dass sich Leistung und Arbeitseinsatz in Deutschland wirklich nicht mehr auszahlen.

Diese Rechnung wird sich mit der Beschränkung der Abzugsfähigkeit der Fahrtkosten zum Arbeitsplatz ab 1.1.2007 zu Lasten der Arbeitnehmer noch weiter verschlechtern. Denn dann sind die ersten 20 Entfernungskilometer steuerlich nicht mehr abzugsfähig. Für denjenigen, der z.B. 15 km Anfahrt zum Arbeitsplatz hat, kann daher schnell der Punkt kommen, wo Mehrarbeit zu einem echten Verlustgeschäft wird.

Nachschub für das Heer der Billigjobber

Dafür, dass das Reservoir der Arbeitnehmer im Niedriglohnbereich nicht versiegt, sorgt derzeit die deutsche Wirtschaft mit ihrem Abbau von Arbeitsplätzen. Hypo-Vereinsbank, Commerzbank, Siemens, Mercedes, Volkswagen, Allianz, Telekom und Bayer, um nur die Wichtigsten zu nennen. Alle diese Firmen wollen in den nächsten Jahren ihre Belegschaften jeweils um mehrere tausend Beschäftigte reduzieren.

Im Zusammenwirken mit der Bundesregierung, die Arbeitslosen unabhängig von deren Qualifikation jede Arbeit zumuten will, ist damit für steten Nachschub für die Ein-Euro-Jobs gesorgt. An dieser Stelle wollen wir auch mit dem Märchen aufräumen, die Mehrwertsteuererhöhung auf 19 Prozent zum 1.1.2007 diene der Senkung der Lohnnebenkosten. Die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung um zwei Prozentpunkte haben die Arbeitnehmer nämlich durch Kürzungen im Leistungsbereich weitgehend selbst finanziert.

Wenn der Wahnsinn einen Namen hat ....

Vor dem Regierungsbündnis aus CDU / CSU und SPD gab es in Deutschland bei derartigen Fehlentwicklungen zumindest eine politische Diskussion und die Medien hatten eindeutig Stellung genommen; je nach politischer Ausrichtung entweder pro oder contra. Jetzt hat man den Eindruck, als gäbe es die Große Koalition auch in den Medien. Wo bleibt der Aufschrei, dass bei einem Mehrverdienst von brutto 300 Euro einem Beschäftigten im Niedriglohnbereich nach Abzug der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in der Steuerklasse V gerade einmal 65 Euro netto zusätzlich in der Lohntüte bleiben? Wo bleibt die Frage danach, was die Regierung mit derartigen wahnsinnigen Regelungen bezweckt?

Wenigsten die Frage nach dem Namen des Wahnsinns wollen wir hier beantworten: Nach den Erfahrungen der letzten Monate kann der Wahnsinn nur "Große Koalition" heißen.

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