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Wenn sich deutsche Nachrichtendienste vom Staatsschützer zum Staatsfeind verwandeln


urbs-media, 5.6.2006: Zensur findet in Deutschland laut Art. 5 des Grundgesetzes offiziell nicht statt. Einschränkend findet man in den einschlägigen Kommentaren dann den Hinweis, dass dieses Zensurverbot nur für die Vorzensur gilt (z.B. Ingo von Münch, Grundgesetzkommentar). Eine nachträgliche Zensur ist damit in Deutschland also keineswegs ausgeschlossen. Das eigentliche Zensurproblem ist jedoch die Schere im Kopf der Journalisten und Redakteure, die so genannte Selbstzensur. Das Ergebnis: Kuscheljournalismus und Hofberichterstattung in Wort, Bild und Ton sowie Bespitzelung von Kollegen im Auftrag von Nachrichtendiensten.

Deutlicher Verlust an Pressefreiheit in Deutschland

Die Bundesrepublik Deutschland hat sich viele Jahre lautstark gerühmt, ein Paradies für Journalisten zu sein. Die Pressefreiheit in Deutschland hat nach Ermittlungen der Organisation "Reporter ohne Grenzen" in letzter Zeit jedoch erheblich gelitten. Im Vergleich zur Untersuchung vom Oktober 2004 ergibt die aktuelle Statistik aus dem Jahr 2005, dass Deutschland in der Rangliste der pressefreundlichsten Länder vom 11. auf den 18. Platz herabgestuft werden musste. Die USA fielen binnen Jahresfrist in der Pressefreiheits-Statistik sogar vom 22. auf den 44. Platz und liegen damit nur noch knapp vor Bolivien (45) und Uruguay (46).

Dabei sind es in Deutschland nicht in erster Linie staatliche Repressionen und Bedrohungen, die die Medien auf Linie gebracht haben. So beeinträchtigt nach den Feststellungen der Bundesgeschäftsführerin der Journalisten-Union Ulrike Maercks-Franzen insbesondere der zunehmende ökonomischer Druck die Qualität journalistischer Arbeit. "In gewisser Weise ist das auch ein Angriff auf die Pressefreiheit". Hinzu kommen gerade in den letzten Monaten die verstärkten Aktionen des Staates gegen kritische Journalisten, also Durchsuchungsaktionen in Redaktions- und Privaträumen, Überwachung der Post- und Fernmeldekontakte und wie jetzt aktuell bekannt geworden die unmittelbare Total-Observation der Presse durch Geheimdienstspitzel.

Kuscheljournalismus und Hofberichterstattung

In vielen Zeitungen und Zeitschriften sowie in Funk und Fernsehen ist kritische Berichterstattung inzwischen Mangelware. Nicht zuletzt seit der Kampagne "Du bist Deutschland" wissen wir, dass sich namhafte Medienunternehmen zusammengeschlossen haben, um die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland mit einfältigen Sprüchen von den Ursachen der wirtschaftlichen und politischen Probleme abzulenken. In diesem Zusammenhang wurde auch schon wiederholt die Zusammensetzung und der Ablauf der zahlreichen politischen Talkrunden im deutschen Fernsehern kritisiert.

Folglich zieht auch die FDP eindeutige Parallelen zur Spiegelaffäre von 1962: "Nicht nur die Bespitzelung von Journalisten durch den Bundesnachrichtendienst, sondern auch Eingriffe in das Zeugnisverweigerungsrecht, Lauschangriffe und die Stärkung des Persönlichkeitsschutzes im Zivilrecht beeinträchtigen zunehmend die Berichterstattung" (Westdeutsche Zeitung vom 30.5.2006).

Internetzensur nicht nur in China

Wer sich über das aktuelle Tagesgeschehen objektiv und ohne den inzwischen in Deutschland üblichen belehrenden Unterton informieren will, der muss zusätzlich ausländische Quellen benutzen und sich seine persönliche Presseschau im Internet zusammenstellen. Aber auch im Internet nimmt gegenwärtig die Zensur deutlich zu, besonders bei den Suchmaschinen. Wer hier glaubt, dabei handele es sich um ein typisch chinesisches Zensurproblem, der sollte einmal bei der Internetsuche bei Google-Deutschland auf die Fußzeile unter den Suchergebnissen achten. Da taucht nämlich zuweilen der Hinweis auf, dass man bestimmte gefundene Seiten nicht angezeigt bekommt. Wer dann auf die "Erklärung" klickt, erhält sinngemäß folgende englischsprachige Mitteilung: "Ihre Suche hätte in den Suchergebnissen einen Treffer generiert, den wir Ihnen nicht anzeigen, da uns von einer zuständigen Stelle in Deutschland mitgeteilt wurde, dass die entsprechende URL unrechtmäßig ist."

Aber noch stößt diese Form der Internet-Zensur zumindest in Deutschland schnell an ihre (nationalen) Grenzen: Wer eine ausländische Version der entsprechenden Suchmaschine benutz, der erhält dann die vollständige Trefferliste und muss sich nicht damit begnügen, was deutsche Behörden für rechtmäßig bzw. unrechtmäßig halten.

Guck und Horch in deutschen Landen

Ein wesentliches Mittel zur Informationsbeschaffung bei der ehemaligen Stasi waren die "Inoffiziellen Mitarbeiter". Mit Hilfe dieser IM's wurde die DDR-Bevölkerung bis in die privatesten Ebenen vom Geheimdienst ausspioniert. Nach dem gleichen Muster geht auch der Bundesnachrichtendienst vor, und das schon seit Jahrzehnten. "Deutsche Journalisten spionieren für Deutschland", nach diesem Motto hat z.B. der ehemalige Focus-Mitarbeiter Wilhelm Dietel in den vergangenen Jahren umgerechnet gut 300.000 Euro zusammengeschnüffelt. Und die Liste der jetzt enttarnten Redakteur-IM's ist nach Angaben von Spiegel-Online noch weit länger: z.B. der Nachrichtenhändler Uwe Müller, Deckname "Sommer" oder der Ex-Focus-Mitarbeiter Erwin Decker, Tarnname "Bosch".

Wie sehr sich die deutschen Geheimdienste von ihrem ursprünglichen Auftrag verselbständigt haben, kann nur noch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss klären. Dabei werden insbesondere sämtliche Ausgabenpositionen des Geheimdienstes daraufhin zu überprüfen sein, inwieweit hiermit rechtswidrige Lausch- und Überwachungsaktionen finanziert wurden. Insgesamt sollen dem BND für seine Spitzeltätigkeiten jährlich mindestens 500 Mio. Euro aus dem Haushalt des Bundeskanzlers / der Bundeskanzlerin zur Verfügung stehen. Viel Arbeit also für die Mitglieder eines Untersuchungsausschusses.

Unwürdiges Gezerre um den Schäfer-Bericht

In den Überwachungsskandal bringt auch der so genannte Schäfer-Bericht über die BND-Affäre kaum Licht. Denn die Sachverhalte sind durch Streichung von Namen bis zur Unkenntlichkeit entstellt, einige Vorgänge fielen sogar ganz der Schere zum Opfer. Was bleibt, sind teilweise kuriose Vorfälle: So schreckten die Schlapphüte aus Pullach selbst vor dem Diebstahl von Altpapier aus Mülltonnen nicht zurück, um die Staatsfeinde bei der bösen Presse zu enttarnen (Seite 173 des Schäfer-Berichts).

Eines können die Bürger aus der Spitzelaffäre jedenfalls lernen: Der angeblich so demokratische Rechtsstaat muss eine unheimliche Angst vor seinen eigenen Bürgern haben, von denen er doch laut Grundgesetz seine Legitimation ableitet. Und da bei der großen Koalition alle Partner Dreck am Stecken haben, versuchen sowohl CDU/CSU als auch SPD, die notwendige Aufklärung mit allen Mitteln zu verhindern. Ein erster Schritt im Rahmen dieser Verhinderungsstrategie ist die Veröffentlichung des Schäfer-Berichts. Denn dieser stützte sich nicht nur ausschließlich auf Material, dass der BND selbst zur Verfügung gestellt hatte, sondern ist der Öffentlichkeit auch nur in einer zensierten Kurzfassung zur Verfügung gestellt worden. Und um die Arbeit mit dem Bericht noch zusätzlich zu erschweren, wurde in dem veröffentlichten PDF-Dokument hinterhältigerweise auch noch die Suchfunktion deaktiviert (www.bundestag.de/aktuell/pkg/index.html)!

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