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In Deutschland sterben jährlich weit mehr Menschen durch Suizid als durch Verkehrsunfälle


urbs-media, 7.3.2005: Wenn man die Nachrichten in der Presse sowie in Funk und Fernsehen betrachtet, dann findet das Thema Selbstmord praktisch kaum Beachtung. Lediglich dann, wenn Prominente den Freitod gewählt haben, ist dies hin und wieder eine kurze Meldung wert. Durch diese Zurückhaltung in unseren Medien ist in der Öffentlichkeit der falsche Eindruck entstanden, als sei der Suizid kein gesellschaftliches Problem. Wer sich über das Thema Selbstmord und die aktuellen Statistiken informieren will, der ist daher weitgehend auf das Internet als Informationsquelle angewiesen.

Fast doppelt soviel Suizide als Verkehrstote

Durch den heimlichtuerischen Umgang unserer Medien mit dem Thema Selbstmord ist der Bevölkerung weitgehend unbekannt, dass die Zahl der Suizide die Zahl der Verkehrstoten deutlich übersteigt, und zwar fast um das Doppelte. Leider müssen wir bei der Selbstmordstatistik dabei auf das Jahr 2002 zurückgreifen, weil bisher in Deutschland keine aktuelleren Zahlen verfügbar sind. Und im Jahr 2002 gab es 11.163 Todesfällen in Folge einer Selbsttötung und 6.842 Tote im Straßenverkehr.

Damit nimmt sich in Deutschland statistisch betrachtet etwa alle 45 Minuten ein Mensch das Leben. Dabei sind Männer besonders anfällig für den Freitod, denn im Jahr 2002 schieden 8.106 Männer und 3.057 Frauen freiwillig aus dem Leben. Bei Männern im Alter zwischen 20 Jahren und 25 Jahren ist die Selbsttötung sogar die zweithäufigste Todesursache überhaupt. Die Zahl der Selbstmordversuche wird derweil von Experten von den Krankenkassen auf jährlich etwa 100.000 bis 150.000 geschätzt.

Deutlicher Rückgang der Suizide in den neuen Bundesländern

Während in den alten Bundesländern die Anzahl der Selbsttötungen seit vielen Jahren im wesentlichen konstant bleibt, gab es in den neuen Bundesländern nach der Wiedervereinigung einen deutlichen Rückgang der Suizide. Dies wird von Experten auf zwei Gründe zurückgeführt: Die Verbesserung der Lebensverhältnisse und die Umstellung von Stadtgas auf das ungiftige Erdgas. So hat z.B. auch die Entgiftung des Stadtgases Ende des 19. Jahrhunderts in England eine wahre "Suizidepidemie" beendet (PKV Publik, Ausgabe 9/2004 S. 106).

Insgesamt hält sich die Suizidrate in Deutschland in den letzten Jahren weitgehend konstant. Seit dem Jahr 2000 ist jedoch wieder eine leicht steigende Tendenz zu spüren. Am höchsten ist die Selbstmordrate in Sachsen (30,4 Fälle pro 100.000 Einwohner), Sachsen-Anhalt (26,3 Fälle), Thüringen (25,1 Fälle), Bremen (22,4 Fälle) und Hamburg (20,6 Fälle). Mit Abstand die wenigsten Selbsttötungen pro 100.000 Einwohner gibt es in Nordrhein-Westfalen (9,6 Fälle). Die genannten Zahlen stammen jeweils aus dem Jahr 2001 und sind dem Statistischen Monatsheft Baden-Württemberg Nr. 3/2004 entnommen.

Im europäischen Vergleich ist Deutschland nur Mittelmaß

Vergleicht man die Anzahl der Selbstmorde pro 100.000 Einwohner, so liegt Deutschland mit 14 Suiziden im europäischen Mittelfeld. Traurige Spitzenreiter sind hier Litauen und Estland mit ca. 43 bzw. 34 Selbsttötungen pro 100.000 Einwohner. Vergleichsweise hoch ist auch die Selbstmordrate im Österreich (ca. 19 Fälle) und in der Schweiz (ca. 20 Fälle). Wenn eine niedrige Selbstmordrate ein Maßstab für Lebensqualität ist, dann lebt es sich in Spanien (ca. 8 Fälle), Italien (ca. 5 Fälle) sowie Portugal (ca. 4 Fälle pro 100.000 Einwohner) am besten. Möglicherweise ist die niedrige Selbstmordrate in diesen Ländern aber auch die Folge stärkerer religiöser Bindungen in der Bevölkerung.

Besonders anfällig für Selbstmord sind auch die Japaner. Im Jahr 2003 nahmen sich in Japan 34.427 Menschen das Leben; 22 Prozent der Selbstmörder waren unter 19 Jahre alt. Ein besonderes japanisches Phänomen sind so genannte kollektive Selbstmorde. Dabei verabreden sich fremde Menschen zum gemeinschaftlichen Suizid. Den Kontakt zueinander finden sie dabei im Regelfall auf selbstmordverherrlichenden Seiten im Internet (Saar-Echo vom 22.11.2004).

Schweigen ist Silber, Reden ist Gold

Wie bereits erwähnt, ist die Selbsttötung ein Tabuthema. Während in Deutschland diese Zurückhaltung auf einer Art "Selbstzensur" beruht, gibt es z.B. in Frankreich eindeutige Gesetze, die es verbieten, Jugendliche in den Medien mit dem Thema Selbsttötung zu konfrontieren. Wenn man die Statistik für Frankreich betrachtet, so belegt der Wert von 19 Selbstmorden pro 100.000 Einwohnern, dass diese Politik des amtlichen Verschweigens weitgehend wirkungslos ist.

Wir empfehlen daher, in den Medien das Thema Selbsttötung offensiv zu behandeln und Selbstmord nicht mehr als Tabu-Thema zu behandeln. Das Leid der Angehörigen, die gesundheitlichen Dauerschäden bei gescheiterten Selbstmordversuchen, über all dies sollte ausführlich berichtet werden. Wenn dann alle diese Artikel noch mit einem Hinweis auf Beratungsstellen und Hilfsangebote enden würden, dann könnten vermutlich zahlreiche Selbsttötungen verhindert werden. Denn derzeit fühlen sich viele potentielle "Selbstmörder" mit ihren Problemen völlig allein gelassen und sehen dann tatsächlich keinen anderen Ausweg als den Freitod.

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