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Das Arbeitslosengeld II führt zu grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen in Deutschland


urbs-media, 4.10.2004: Seit Monaten jagt eine Schreckensmeldung nach der anderen über die Auswirkungen der Hartz-Gesetze und speziell über das "Meisterstück" Hartz IV durch die Presse: Arbeitslose werden nach einem Jahr ohne Job aus ihren Wohnungen in billige "Plattenbauten" umgesiedelt, ihre mühsam angesparten Reserven für das Alter müssen bis auf einen Minimalbetrag von 200 Euro pro Lebensjahr aufgebraucht werden, Sparbücher der Kinder von Arbeitslosen werden bis auf 700 Euro geplündert, Schrebergärten müssen aufgegeben werden und im Januar 2005 sollen die Bezieher von Arbeitslosengeld II von der Luft und von der Liebe leben, weil Sie ja nach Meinung der Bundesregierung wegen der Ende Dezember 2004 letztmalig ausgezahlten Arbeitslosenhilfe im Januar 2005 nicht bedürftig sind.

Die Fehler der Großkonzerne werden auf den Staat übertragen

Wenn ein Unternehmen in die roten Zahlen gerät, dann werden zuerst die Kosten reduziert. Und wo kann man nach Meinung der Unternehmenslenker am leichtesten Geld einsparen? Bei den Personalkosten! Da wird bei Karstadt z.B. nicht gefragt, ob es möglicherweise andere Ursachen für sinkende Umsätze und damit fehlende Einnahmen gibt, es wird praktisch immer zuerst an den Personal-Ausgaben gespart. Und da niemand gerne den Ast absägt, auf dem er selbst sitzt, sind es immer die anderen, die Untergebenen, die Schuld an den überhöhten Personalkosten sind.

Und genau hier liegt der Mangel des Hartz-Konzeptes: Statt die Schaffung von Arbeitsplätzen als oberstes politisches Ziel festzulegen, überträgt die rot-grüne Bundesregierung die Fehler der Unternehmen einfach auf den Staat und erhebt das Konzept "Fördern und Fordern" zum Leitmotiv der Arbeitsmarktpolitik. Klingt ja auch schön, nur was soll man von 4,5 Mio. Arbeitslosen fordern, wenn es in Deutschland nach der Statistik der Bundesanstalt für Arbeit gegenwärtig nur etwa 300.000 offene Stellen gibt, von denen die meisten sogar sofort wieder besetzt werden konnten? Mit anderen Worten: Auf 15 Stellenbewerber kommt eine bei der Bundesanstalt für Arbeit gemeldete offene Stelle. Da man von den Arbeitslosen daher offensichtlich nicht ernsthaft fordern kann, eine nicht vorhandene Arbeit aufzunehmen, bleibt nur die Reduzierung der Personalkosten, hier also des Arbeitslosengelds und die Schaffung von so genannten Arbeitsgelegenheiten mit einem Stundenlohn von ein bis maximal zwei Euro.

Staatlich geförderte Schattenwirtschaft

Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, müssen die Arbeitslosen künftig praktisch jede Beschäftigung annehmen, um den Anspruch auf Arbeitslosengeld II (345 Euro monatlich in den alten Bundesländern einschließlich Berlin und 331 Euro in den neuen Bundesländern) nicht zu verlieren. Bereits jetzt hört man laute Jubelschrei von den Sozialverbänden, die mehrere tausend Langzeitarbeitslose einstellen wollen. Kein Wunder, sind diese Personen doch bei einem Stundenlohn von ein bis zwei Euro ein echtes Schnäppchen auf dem Arbeitsmarkt. So lassen sich die Kosten trefflich reduzieren und alte teure Stammbelegschaften durch die neuen Billigkräfte ersetzen.

Deutliche Alarmsignale kommen auch vom Zentralverbandes des Deutschen Handwerks. Handwerkspräsident Dieter Philipp befürchtet durch die von der Bundesregierung geplanten 600.000 Arbeitsgelegenheiten für Langzeitarbeitslose eine erhebliche Konkurrenz für die deutschen Unternehmen, die statt mit einem oder zwei Euro an Arbeitskosten pro Stunde mit deutlich über 30 Euro kalkulieren müssen. Damit eröffnet sich in Deutschland dann ein neuer Teufelskreis: Die staatlich subventionierten Beschäftigungsgesellschaften werden den normalen Wirtschaftsunternehmen einen harten Konkurrenzkampf um Aufträge liefern und so viele Unternehmen in die Insolvenz treiben. So betrachtet ist Hartz IV das erste wirklich selbstlaufende Perpetuum-Mobile: Der Staat schafft sich durch diese so genannten Arbeitsgelegenheiten das Reservoir, aus dem die künftigen Bezieher des Arbeitslosengeldes II stammen, nämlich die Beschäftigten derjenigen Unternehmen, die wegen der staatlich subventionierten Billig-Konkurrenz in Zukunft ihre Arbeitsplätze verlieren.

Kettenbriefe und Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV

Der Widerstand der Betroffenen gegen die so genannten Agenda 2010 beginnt sich langsam zu formieren. Da ruft das Kölner SPD-Mitglied Eva Gürster in einem elektronischen Kettenbrief offen zum Kanzlersturz auf und in den neuen Bundesländern formieren sich die Bürger wie damals im Oktober 1989 erneut zu Montagsdemonstrationen, diesmal nicht gegen das SED-Regime, sondern gegen die rot-grüne Wirtschafts- und Sozialpolitik. Wie sehr die Initiatoren damit bei den Regierungsparteien ins Mark getroffen haben, zeigt die Reaktion der Partei-Oberen. Da ist von Zumutung, Beleidigung und sogar von Blasphemie die Rede. Und das alles nur, weil es Bundesbürger wagen, ihr grundgesetzlich garantiertes Recht auf Versammlungsfreiheit und auf Meinungsfreiheit in Anspruch zu nehmen.

Insbesondere der Vorwurf der Blasphemie lässt an dem Geisteszustand einiger Politiker zweifeln. Denn das Wort Blasphemie kommt aus dem Griechische und bedeutet "Gotteslästerung". Sind die Regierungspolitiker tatsächlich bereits so abgehoben, dass sie das Hartz-Konzept als von Gott gegeben betrachten und Kritik an Hartz IV als Gotteslästerung brandmarken?

Leiden müssen immer nur die Anderen

Nach Artikel 3 des Grundgesetzes sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Folglich müssten die Höchsten im Staat unter den von ihnen gemachten Gesetzen ebenso leiden wie alle anderen Bürger auch. Die Verfassungswirklichkeit sieht dagegen völlig anders aus, weil es die politische Klasse in Deutschland geschafft hat, sich von allen Sparbeschlüssen geschickt auszunehmen.

Was die Bürger bei Hatz IV besonders erzürnt, ist also nicht die Arbeitsmarktreform an sich, sondern die Privilegien, die sich die Politiker im Vergleich zu ihren Auftraggebern (den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland) gesichert haben. Wie bei den Vorstandsmitgliedern der großen Unternehmen besteht hier ein erhebliches Missverhältnis zwischen Einkommen und Leistung. Ganz extrem wird dieses Missverhältnis bei der Altersversorgung. Hier erwirbt z.B. ein Minister in der Bundesregierung bereits nach vier Jahren einen Anspruch auf Altersversorgung, der 35 mal so hoch ist wie bei Personen, die in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen müssen, und das sogar noch ohne eigene Beiträge zu zahlen. Der Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim bezeichnet diese Überversorgung und die Schatteneinnahmen von Politikern bereits seit Jahren schlichtweg als "verfassungswidrig".

Neue Männer / Frauen braucht das Land

Einen Erfolg hatten die Proteste gegen Hartz IV im übrigen bereits: Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering musste hinsichtlich des gestrichenen Arbeitslosengeldes II für den Monat Januar 2005 zurückrudern. Alles andere wäre auch schlichtweg verfassungswidrig gewesen, wie sich aus einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Übergang von der Arbeitslosen- zur Sozialhilfe ergibt (AZ 5 C 68/03). Und auch bei der geplanten Anrechnung der Sparguthaben und der Ausbildungsversicherungen von Kindern musste die Bundesregierung zumindest teilweise einen Rückzieher machen und den Vermögensfreibetrag ab der Geburt auf 4.100 Euro anheben. Da zeigt sich deutlich, dass lautstarke Bürgerproteste geeignet sind, gegen die von der Regierung verordnete "Revolution von oben" erfolgreich anzukämpfen.

Politisch ist die Situation derzeit jedoch aussichtslos. Wenn in etwa zwei Jahren eine Koalition aus CDU/CSU und FDP die Regierung übernimmt, dann besteht bei der Arbeitsmarktpolitik keine Aussicht auf Besserung. Ganz im Gegenteil: Merkel, Stoiber und Westerwelle wollen noch härtere Einschnitte bei der finanziellen Unterstützung von Arbeitslosen, haben aber ebensowenig wie Rot-Grün ein Konzept, wie in Deutschland die notwendigen 4,5 Millionen Arbeitsplätze neu geschaffen werden können. Hier rächt sich eindeutig, dass die abhängig in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen arbeitende Bevölkerung in Deutschland (immerhin über 38 Mio. Personen) im Bundestag keine Interessenvertretung hat, sondern dass sich auf den Abgeordnetenbänken überwiegend Beamte und dort zu allem Überfluss auch noch überproportional viele Lehrer tummeln.

In diesem politischen Vakuum wäre tatsächlich ein ausreichendes Wählerpotential für eine neue Partei vorhanden, die auf Anhieb mit einem zweistelligen Wahlergebnis im Jahre 2006 in den nächsten Bundestag einziehen könnte.

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