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In der EU soll es ab Anfang des Jahres 2011 europaweite Bürgerinitiativen geben


urbs-media, 19.4.2010: Viele Bürgerinnen und Bürger in der Europä:ischen Union beklagen seit Jahren die fehlenden demokratischen Strukturen auf Ebene der EU-Verwaltung. Da gibt es zwar ein Europäisches Parlament, die wirklichen Herrscher in Europa sind jedoch der EU-Ministerrat und die EU-Kommission. An dieser Machtverteilung hat sich auch nach dem Inkrafttreten des EU-Reformvertrags nichts grundlegendes geändert.

Jetzt plant die EU-Kommission, den europäischen Institutionen sich zumindest ein demokratisches Feigenblättchen umzulegen. Denn ab Beginn des Jahres 2011 sollen die Bürger in Europa die Möglichkeit erhalten, sich im Rahmen einer sogenannten "Europäischen Bürgerinitiative" (EBI) unmittelbar an die EU-Kommission zu wenden. Aber freuen Sie sich bitte nicht zu früh: Echte Mitwirkungsrechte für die EU-Bürger wird es auch weiterhin nicht geben. Denn welche Rechtsvorschriften in Europa erlassen werden sollen, dürfen die Bürger auch weiterhin nicht selbst bestimmen. Das demokratische Mitwirkungsrecht für Bürgerinitiativen beschränkt sich nämlich darauf, dass die EU-Kommission innerhalb von vier Monaten eine Stellungnahme zu dem Anliegen der Bürgerinitiative abgeben muss. Rechtlinienvorschläge können die Bürger in Europa also weiterhin nicht machen und es steht im alleinigen Belieben der EU-Kommission, ob sie dem Bürgerwillen folgen will oder nicht.

Aber auch abgesehen davon, dass derartige europaweite Bürgerbegehren rechtlich vollständig unverbindlich sind, gibt es nach dem aktuellen Richtlinienvorschlag aus Brüssel auch formal für die Bürger einige hohe Hürden zu überwinden:

  • Die Ziele der Bürgerinitiative müssen in einem drittel der EU-Staaten von der Bevölkerung unterstützt werden. In der Praxis bedeutet dies, dass zumindest in neun EU-Mitgliedsstaaten Unterschriften gesammelt werden müssen.

  • Eine Europäische Bürgerinitiative ist nur dann erfolgreich, wenn insgesamt 1 Mio. Unterstützungsunterschriften vorgelegt werden können.

  • In jedem der mindestens neun EU-Staaten ist außerdem eine Mindestzahl von Unterschriften erforderlich. Diese Mindestzahl ergibt sich, indem man die Zahl der jeweiligen nationalen EU-Abgeordneten mit 750 multiplizieret.

  • Die Bürgerinitiative muss sich bei der EU-Kommission registrieren lassen. Ab diesem Zeitpunkt steht den Initiatoren ein Zeitraum von 12 Monaten zur Verfügung, um die erforderlichen Unterschriften einzureichen.

  • Wenn die ersten 300.000 Unterschriften vorliegen, müssen die Organisatoren der Bürgerinitiative dies der EU-Kommission melden. Die Kommission prüft dann, ob die formalen Voraussetzungen für eine Europäische Bürgerinitiative vorliegen. Für diese Prüfung darf sich die EU-Kommission drei Monate Zeit lassen.

In Deutschland sind für ein erfolgreiche Europäische Bürgerinitiative demnach mindestens 74.250 Unterschriften nötig (99 x 750). Ab dem Jahr 2014 reduziert sich die Anzahl der notwendigen Unterschriften in Deutschland auf 72.000, weil dann gleichzeitig bei der nächsten Wahl zum EU-Parlament die Anzahl der Abgeordneten aus Deutschland von bisher 99 auf nur noch 96 sinkt. Deutschland ist im übrigen das einzige EU-Land, in dem sich die Anzahl der EU-Abgeordneten durch den Vertrag von Lissabon reduziert. Bei allen anderen Ländern bleibt die Zahl der Abgeordneten zumindest gleich oder erhöht sich sogar, wie z.B. für Spanien (+ 4 Sitze), Frankreich (+ 2 Sitze) sowie England, Holland und Polen (jeweils + 1 Sitz). Da sieht man wieder einmal, mit welchem "Nachdruck" Frau Merkel die nationalen deutschen Interessen auf EU-Ebene vertreten hat.

urbs-media Praxistipp: Direkte Demokratie sieht nach Meinung der urbs-media Redaktion anders aus. Denn weil das Entscheidungsrecht trotz erfolgreicher Europäischer Bürgerinitiative letztendlich bei der EU-Kommission bleibt, sind die Bürger weiterhin auf eine Statistenrolle beschränkt. Hier hätte es der zwingenden Durchführung eines eu-weiten Bürgerentscheids bedurft, wenn sich die Kommission dem Bürgervorschlag nicht beugen will. Derartige Bürgerentscheide könnte man nämlich leicht und ohne große Mehrkosten mit den turnusmäßigen Wahlen zum EU-Parlament verbinden. Positiv sind lediglich die vergleichsweise großzügigen Teilnahmemöglichkeiten an derartigen Bürgerinitiativen: Denn neben körperlichen Unterschriftenlisten soll es auch eine elektronische Unterschriftenliste im Internet geben.

Ein ähnliches Verfahren - nämliche die Abstimmung im Internet - gibt es in Deutschland nach dem Vorbild von Schottland derzeit versuchsweise schon bei den so genannten Online-Petitionen. Hier können Bürger in der Bundesrepublik unter https://epetitionen.bundestag.de sowohl neue Petitionen elektronisch einreichen als auch laufende Petitionen online unterzeichnen.

Eine öffentliche Petition wird für sechs Wochen auf den Internetseiten der Bundesregierung veröffentlicht und kann dann von registrierten Nutzern unterzeichnet werden. Erreicht eine derartige Petition innerhalb der ersten drei Wochen mindestens 50.000 "Unterschriften", dann wird der Petent vom Petitionsausschuss des deutschen Bundestags eingeladen, das gemeinsame Anliegen in einer öffentlichen Ausschusssitzung vorzutragen und zu begründen.



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