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Berücksichtigung von Balkonen und Terrassen als Wohnfläche bei der Berechnung der Miete und der Miet-Nebenkosten


urbs-media, 3.8.2009: Die Ermittlung der tatsächlichen Größe von Mietwohnungen und die daraus resultierende Berechnung des Mietzinses und der Mietnebenkosten führen in vielen Fällen zu gerichtlichen Auseinandersetzungen. Im Kern geht es darum, dass Mieter oftmals erst nach ihrem Einzug feststellen, dass die im Mietvertrag angegebene Wohnungsgröße mit der tatsächlichen Größe nicht übereinstimmt. In vielen Fällen wollen die "betrogenen" Mieter gegenüber ihrem Vermieter dann einen Anspruch auf Mietminderung (§ 536 BGB) geltend machen.

§ 536 BGB (Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln)
  1. Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht.

  2. Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt auch, wenn eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder später wegfällt.

  3. Wird dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache durch das Recht eines Dritten ganz oder zum Teil entzogen, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

  4. Bei einem Mietverhältnis über Wohnraum ist eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam.

Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits im Jahre 2004 entschieden, dass der Mieter bei einer von der Beschreibung im Mietvertrag abweichenden Wohnfläche nur dann zur Minderung der Miete berechtigt ist, wenn diese Flächenabweichung mehr als 10 Prozent beträgt. Der Mieter muss in derartigen Fällen auch nicht nachweisen, dass die Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch durch diese Flächenabweichung gemindert ist (BGH, Urteil vom 4.3.2004 - VIII ZR 295/03).

Während die juristische Seite von Mietminderungen wegen zu geringer Wohnfläche durch die BGH-Rechtsprechung damit geklärt war, traten in der Folgezeit vermehrt praktische Probleme bei der Wohnflächenberechnung auf. Unklarheiten entstanden dabei insbesondere bei der Anrechnung von Balkonen und Terrassen auf die Wohnfläche. Dieses Problem wird dadurch noch zusätzlich verschärft, dass der Gesetzgeber zum 1.1.2004 die zur Flächenberechnung maßgeblichen Vorschriften geändert und die bis 31.12.2003 geltende 2. Berechnungsverordnung (II. BV) zum 1.1.2004 durch die so genannte Wohnflächenverordnung (WoFlV) ersetzt hat.

In ein Urteil vom April 2009 kommt der BGH hinsichtlich der Anrechnung von Balkonen und Terrassen auf die Gesamtwohnfläche daher zu einem für die Praxis äußerst merkwürdigen und komplizierten Ergebnis:

  • Für Mietverhältnisse aus der Zeit vor dem 1. Januar 2004 gelten die (bis zum 31. Dezember 2003 anwendbaren) §§ 42 bis 44 der Zweiten Berechnungsverordnung (II. BV) sowie § 4 Nr. 4 WoFlV und DIN 283. Diese Vorschriften sehen jedoch für die Anrechnung von Außenflächen (Balkonen, Loggien und Dachterrassen) unterschiedliche Anrechnungsquoten vor. Während die DIN 283 eine starre Anrechnung zu ¼ vorschreibt, lässt § 44 Abs. 2 II. BV eine Anrechnung bis zur Hälfte zu. Nach § 4 Nr. 4 WoFlV sind solche Flächen höchstens zur Hälfte, in der Regel aber mit ¼ anzurechnen.

  • Für Mietverhältnisse ab dem 1.1.2004 gilt die Wohnflächenverordnung (WoFlV). Hiernach sind die Flächen von Balkonen, Loggien, Dachgärten und Terrassen sind in der Regel zu einem Viertel, höchstens jedoch zur Hälfte auf die Wohnfläche anzurechnen (§ 4 Ziffer 4 WoFlV).
(Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.4.2009 - VIII ZR 86/08)

urbs-media Praxistipp: Die Rechtslage bei der Anrechnung von Balkonen und Terrassen auf die Wohnfläche ist nach der neuesten BGH-Entscheidung weiterhin sehr unklar. Denn das Gericht hat zusätzlich festgestellt, dass auch die Verkehrssitte am Ort der Wohnung zu berücksichtigen ist. Dies erfordert im Einzelfall gegebenenfalls eine aufwendige Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten.

Um hier bereits bei Vertragsabschluss die erforderliche Rechtssicherheit zu schaffen, sollten die Mietvertragsparteien die Modalitäten der Anrechnung von Balkonen und Terrassen ausdrücklich im Mietvertrag regeln. Denn der Bundesgerichtshof hat in seiner Urteilsbegründung ausdrücklich ausgeführt, dass entsprechende vertragliche Vereinbarungen Vorrang vor den gesetzlichen Regelungen haben.



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