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Verkäufer haben entgegen dem deutschen Recht keinen Anspruch auf Nutzungsersatz bei Rückabwicklung des Vertrags wegen Sachmängeln


urbs-media, 8.12.2008: Nach § 346 BGB ist der Käufer in Falle der Rückabwicklung von Kaufverträgen wegen der Lieferung mangelhafter Ware verpflichtet, dem Verkäufer für die zwischenzeitliche Nutzung der zunächst gelieferten (mangelhaften) Kaufsache einen angemessenen Wertersatz zu bezahlen. Diese Regelung im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch führt dazu, dass viele Händler bei berechtigten Mängelrügen die beanstandete Ware zwar innerhalb der Garantiezeit kostenlos austauschen, vom Käufer für die zwischenzeitliche Nutzung der ursprünglichen Kaufsache jedoch eine Nutzungsentschädigung verlangen.

Diese gesetzliche Regelung verstößt nach Meinung vieler Rechtsexperten gegen zwingendes EU-Recht. Denn Art. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (ABl. Nr. L 171/12 vom 7.7.1999) verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, dem Käufer bei der Lieferung mangelhafter Waren ein kostenloses Rücktrittsrecht einzuräumen. In diesem Zusammenhang hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 17.4.2008 ausdrücklich entschieden, dass es mit der vorgenannten EU-Richtlinie nicht zu vereinbaren ist, wenn die deutschen Gerichte dem Verkäufer für die Nutzung des vertragswidrigen Verbrauchsguts bis zu dessen Austausch durch ein neues Verbrauchsgut eine Nutzungsentschädigung zusprechen (Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 17.4.2008 - Rs. C-404/06).

Der Fall: Eine Verbraucherin hatte im Sommer 2002 bei einem Versandhandelsunternehmen einen Elektroherd zum Preis von 524,90 Euro gekauft. Im Januar 2004 stellte die Kundin fest, dass sich die Emailleschicht im Backofen abgelöst hatte. Da eine Reparatur des Gerätes nicht möglich war, tauschte die Beklagte den Backofen aus. Für die Nutzung des ursprünglich gelieferten Gerätes verlangte sie eine Nutzungsvergütung von rund 70 Euro, die die Käuferin zunächst entrichtete. Auf die Rückzahlungsklage der Kundin hin, die von der Verbraucherzentrale unterstützt wurde, gelangte der Rechtsstreit dann auf Vorlage des Bundesgerichtshofs bis zum Europäischen Gerichtshof, der die deutsche Regelung in § 346 BGB dann im April 2008 als eu-rechtswidrig bezeichnete.

Auf die Vorabentscheidung des EuGH hat der Bundesgerichtshof nunmehr reagiert und entschieden, dass beim Verbrauchsgüterkauf der Verkäufer von dem Verbraucher im Falle der Ersatzlieferung für eine mangelhafte Ware entgegen dem Wortlaut des Gesetzes (§ 439 Abs. 4, § 346 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB) keinen Wertersatz für die Nutzung der zunächst gelieferten Kaufsache verlangen kann.

(BGH, Urteil vom 26.11.2008 – VIII ZR 200/05)

urbs-media Praxistipp: Das Gesetz definiert Verbrauchsgüterkauf in § 474 Abs. 1 Satz 1 BGB als Kaufvertrag über bewegliche Sachen zwischen einem Verbraucher als Käufer und einem Unternehmer als Verkäufer. Damit gilt das Verbot des Nutzungsersatzes z.B. auch bei der Lieferung mangelhafter Kraftfahrzeuge. Hier war es nach der Rechtsprechung bisher üblich, dass der Kunde bei der Rücknahme eines fehlerhaften Fahrzeugs dem Verkäufer die zwischenzeitlich erzielten Gebrauchsvorteile erstatten musste, und zwar mit bis zu 0,67 Prozent des Bruttokaufpreises pro gefahrener 1.000 km.

Wer daher z.B. einen Neuwagen für 30.000 Euro beim Händler gekauft hat das Fahrzeug nach einem längeren Rechtsstreit wegen eines überhöhten Kraftstoffverbrauchs mit einer zwischenzeitlichen Fahrleistung von 10.000 km zurück gibt, musste nach dieser Berechnungsformel bisher dem Verkäufer 2.010 Euro als Nutzungsentschädigung bezahlen. Dieser in Deutschland gängigen Praxis ist durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nunmehr ebenfalls die gesetzliche Grundlage entzogen worden. Auch die Bundesregierung hat inzwischen angekündigt, die europarechtswidrige Vorschrift im Bürgerlichen Gesetzbuch entsprechend den Vorgaben des EuGH zu ändern (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 15.10.2008, Bundestags-Drucksache 16/10607).

Für die Bürger in Deutschland ist es aber immer wieder ärgerlich, dass wichtige Regelungen zum Verbraucherschutz oft nur auf Druck der EU-Kommission oder durch den Europäischen Gerichtshof in deutsches Recht umgesetzt werden. Dabei ist es vom Grundsatz her unerheblich, ob es sich um CDU/CSU- oder um SPD-geführte Regierungen oder um Große Koalitionen handelt: Der Schutz der deutschen Verbraucher war für die verschiedenen Bundesregierungen noch nie ein wichtiges Thema! Bekanntestes Beispiel ist hier die verzögerte Umsetzung der EU-Richtlinie zum Schutz von Pauschalreisenden vor der Insolvenz von Reiseveranstaltern. Auch hier musste die Bundesregierung erst nach dem Konkurs von "MP-Travel-Line" durch den Europäische Gerichtshof dazu gezwungen werden, wirksame gesetzliche Regelungen zum Verbraucherschutz zu erlassen und wurde außerdem dazu verurteilt, Zehntausende von gestrandeten Urlaubern finanziell zu entschädigen.



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