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Stand der Technik als maßgebliches Kriterium für die Mängelgewährleistung beim Neuwagenkauf


urbs-media, 21.7.2007: Wer einen Neuwagen kauft, der erlebt manchmal schon kurz nach der Übergabe unangenehme Überraschungen. Da klappert z.B. das Armaturenbrett bei bestimmten Motordrehzahlen, da gibt es extrem langsame Beschleunigungswerte bei höheren Geschwindigkeiten oder der Motor springt im Winter, bei Feuchtigkeit oder bei Hitze nur schlecht oder überhaupt nicht an. Die Hersteller und deren Vertragshändler verweisen in derartigen Fällen dann üblicherweise darauf, dass das beanstandete Fahrzeug dem jeweiligen Serienstand entspricht und dass deshalb kein Sachmangel vorliegt.

Die Rechtsprechung zu dieser Frage ist jedoch uneinheitlich, weil zumindest in der Vergangenheit einige Gerichte Mängelgewährleistungsansprüche der Käufer verneint hatten, wenn alle Fahrzeuge einer Serie diesen Mangel - im Urteilsfall zu hoher Geräuschpegel - aufweisen (OLG Celle, Urteil vom 7.1.1982). Andere Gerichte haben dagegen später bei der Beurteilung von Fahrzeugmängeln nicht auf den Serienstandard des jeweiligen Herstellers, sondern auf den technischen Entwicklungsstandard der gesamten Automobilindustrie abgestellt. So heißt es z.B. in einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 16.1.1992: "Die im Neuwagengeschäft verbreitete AGB-Klausel, wonach sich die Gewährleistung auf den jeweiligen Stand der Technik des Kaufgegenstandes erstreckt, ist nicht so zu interpretieren, dass auf den - eventuell niedrigeren - Stand sämtlicher Fahrzeugtypen der Firma X abzustellen wäre."

Dieser Auffassung, wonach sich die Sollbeschaffenheit eines Neuwagens nach dem Stand der Technik der gesamten Automobilindustrie richtet, hat sich jetzt auch das Oberlandesgericht Karlsruhe angeschlossen. Im Urteilsfall hatte der Kläger einen Geländewagen erworben, der sich u.a. dadurch auszeichnete, dass bei Geschwindigkeiten über 140 km/h nur noch eine deutlich verzögerte Beschleunigung möglich war und beim Erreichen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 174 km/h ein starkes Bocken und Vibrieren des Fahrzeugs auftrat. Obwohl der Gutachter diese "Mängel" als serientypisch und dem Stand der verwendeten Technik entsprechend einstufte, gab das OLG Karlsruhe der Klage des Autokäufers auf Rückabwicklung des Kaufvertrages statt.

In der Urteilsbegründung heißt es u.a.: Dem Stand der Technik entspricht der Geländewagen nicht: Er beschleunigt nach dem automatischen Gangwechsel bei Geschwindigkeiten über 140 km/h nur verzögert. Das Dreiganggetriebe mit einer zu-/abschaltbaren Overdrive-Stufe bewirkt mit seiner Leistungsauslegung einen zu starken Abfall der Drehzahl und damit verbunden eine zu lange Spanne, bis sich die Beschleunigung trotz unveränderter Gaspedalstellung nach Gangwechsel in den höheren Gang von zwei auf drei wieder fortsetzt. Statt dessen tritt zunächst ein Geschwindigkeitsgleichstand von mindestens zehn Sekunden ein, der nicht dem üblichen Standard eines Geländewagens vergleichbarer Art entspricht. Geländewagen werden hierzulande üblicherweise weitgehend auch im normalen Straßenverkehr eingesetzt, so dass der Geschwindigkeitsbereich über 140 km/h für den Fahrbetrieb von Bedeutung ist. Die Zeitspanne von 10 Sekunden ist im Fahrbetrieb ungewöhnlich und störend. Aufgrund dieser Mängel konnte der Käufer wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten. Das beklagte Autohaus muss daher dem Kläger gegen Rückgabe des Geländewagens den Kaufpreis abzüglich der Gebrauchsvorteile durch die zwischenzeitliche Nutzung des Wagens zurückzahlen.

(Oberlandesgerichts Karlsruhe, Urteil vom 28.6.2007 - 9 U 239/06)

Wenn hier in Deutschland eine einfache Ausführung des VW-Golf bereits knapp 20.000 Euro kostet, dann ist großen Bevölkerungskreisen der Zugang zum Neuwagenmarkt aus finanziellen Erwägungen weitgehend verschlossen. Hier steht zu befürchten, dass die preiswerten und technisch veralteten Konkurrenzprodukte im Preissegment zwischen 7.500 und 12.000 Euro bald an der zu strengen Rechtsprechung hinsichtlich der Qualitätsstandards scheitern könnten.

In dem Urteil des OLG Karlsruhe fehlt leider eine klare Aussage dahingehend, dass sich der Stand der Fahrzeugqualität nicht nur am technisch Machbaren, sondern in erster Linie am Preis orientieren muss. Wer also wie im Urteilsfall ein Fahrzeug mit Drei-Gang-Automatik kauft, der darf natürlich nicht den Komfort und die Spritzigkeit einer modernen Sechs-Gang-Automatik erwarten. So betrachtet handelt es sich hier eindeutig um ein Fehlurteil, das zwar den Kläger erfreuen mag, für die preisbewussten Verbraucher jedoch ein Pyrrhussieg darstellt. Denn durch diese Rechtsprechung besteht die naheliegende Gefahr, dass sich alle Hersteller auf dem deutschen Markt künftig am technischen Optimum orientieren müssen. Welche Auswirkungen eine derartige Tendenz zur Perfektion hat, lässt sich leicht an den in den letzten Jahren enorm gestiegenen Preisen für neue Kraftfahrzeuge ablesen.

urbs-media Praxistipp: Wer seinen privaten Pkw verkaufen will, verwendet hierbei im Regelfall ein vorformuliertes Vertragsmuster, in dem die Haftung des Verkäufers für Sachmängel ausgeschlossen wird. Derartige Formulierungen lauten z.B. "Der Verkauf erfolgt unter Aussschluss jeglicher Gewährleistung für Sachmängel". Mit einer derartigen Formulierung war der Verkäufer bisher generell "auf der Sicheren Seite", denn er musste in diesem Fall für eventuelle Schäden am Fahrzeug nicht haften. Unwirksam war ein derartiger umfassender Haftungsausschluss nur dann, wenn der Verkäufer einen Mangel arglistig verschwiegen hatte, also z.B. einen nur oberflächlich reparierten Unfallschaden.

Das Oberlandesgericht Hamm hat jedoch entschieden, dass auch beim Privatverkauf von Gebrauchtwagen ein derartiger umfassender Haftungsauschluss unwirksam ist, wenn diese Klausel in einem Vertragsformular enthalten ist. Denn nach § 309 Nr 7a BGB kann die Haftung für Personenschäden und nach § 309 Nr. 7 b BGB die Haftung für grobes Verschulden nicht formularmäßig ausgeschlossen werden. Dementsprechend ist ein derartiger umfassender Haftungsausschluss im Ganzen unwirksam (Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 10.2.2005 - 28 U 147/04)

Das Urteil des OLG Hamm betrifft allerdings nur Haftungsausschlüsse in Musterverträgen. Wird daher z.B. eine derartige Abrede (Verkauf unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung) handschriftlich in einen Kaufvertrag aufgenommen, so ist die Klausel grundsätzlich wirksam, solange es nicht um arglistig verschwiegene Mängel geht (§ 444 BGB).

Wer beim Privatverkauf ein Vertragsmuster verwendet, sollte unbedingt darauf achten, dass ein eventueller Haftungsausschluss entsprechend der aktuellen Rechtsprechung formuliert ist. Hierzu empfiehlt sich z.B. folgende Klausel: "Der Verkauf erfolgt unter Ausschluss jeglicher Haftung für Sachmängel. Die Haftung bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und bei Vorsatz oder grobem Verschulden bleibt hiervon unberührt."

Vorsicht ist auch bei der Verwendung von im Internet angebotenen Musterverträgen geboten, da viele Dateien die geänderte Rechtsprechung immer noch nicht berücksichtigen. Ein den aktuellen Anforderungen entsprechendes Formular finden sie z.B. beim Auto-Club-Europa unter www.ace-online.de/musterkaufvertrag im Internet.



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