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Vom bezahlten Samenspender zum mehrfachen Zahlvater


urbs-media, 30.10.2006: In den Kleinanzeigen der Tagespresse liest man immer wieder Anzeigen wie die folgende: "Bis zu 1.000 Euro durch Samenspenden". Wer nun glaubt, auf diese Art reichlich und risikolos sein Geld verdienen zu können, der sollte sich jedoch zuvor mit den einschlägigen juristischen Problemen einer Samenspende beschäftigen. Denn hier drohen dem Spender unter Umständen vielfache Unterhaltsklagen; außerdem sind im Wege einer künstlichen Befruchtung gezeugte Kinder gegenüber dem Samenspender grundsätzlich voll erbberechtigt. Die finanziellen Probleme für die Samenspender potenzieren sich dabei noch dadurch, dass aus einer Samenspende in der Praxis bis zu 10 Kinder gezeugt werden.

Diese rechtlichen Probleme hinsichtlich Unterhaltspflichten und Erbberechtigung sind z.B. in England allgemein bekannt und haben dazu geführt, dass sich in Großbritannien praktisch keine Samenspender mehr finden lassen. Hintergrund dieser Ebbe bei den britischen Samenbanken ist ein im April 2005 in Kraft getretenes Gesetz, wonach durch künstliche Befruchtung gezeugte Kinder in England Anspruch darauf haben, dass ihnen die Personalien des Samenspenders offenbart werden. Samenspender in Großbritannien fürchten daher jetzt Unterhalts- und Erbansprüche und die Samenbanken suchen sich ihre Spender vermehrt im Ausland. Ähnliches gilt auch für Schweden, wo bereits im Jahr 2002 ein Samenspender zu Unterhaltszahlungen verurteilt wurde.

Auch in Deutschland ist die geltende Rechtlage ähnlich wie in England und Schweden. Hier hat das Bundesverfassungsgericht bereits am 31.1.1989 entschieden, dass durch künstliche Befruchtung gezeugte Kinder einen Anspruch darauf haben, die Personalien ihres biologischen Vaters zu erfahren. Mit anderen Worten: Das Recht des Kindes auf Feststellung der gesetzlichen Vaterschaft kann rechtsgeschäftlich nicht abbedungen werden. Folglich sind die üblichen Verträge zwischen den Samenbanken und den Samenspendern, wonach den Spendern Anonymität zugesichert wird, unwirksam. Teilweise unwirksam sind außerdem die Verzichtserklärungen der "Wunscheltern", die den Samenspendern von allen Ansprüchen freistellen. Denn soweit dieser Verzicht die Unterhaltsansprüche des Kindes und dessen Erbrecht gegenüber seinem biologischen Vater betrifft, handelt es sich hierbei um einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter.

Folglich geht auch die einschlägige juristische Fachliteratur in Deutschland davon aus, dass ein Samenspender vom Gericht rechtskräftig als Vater festgestellt werden kann. Dies soll selbst dann gelten, wenn es sich um eine anonyme Samenspende handelt. Folglich schuldet der Samenspender aufgrund des Abstammungsverhältnisses dem dergestalt gezeugten Kind grundsätzlich auch Unterhalt (siehe z.B. Palandt, Einführung vor § 1591 BGB, Rdz. 17). Inwieweit diese gesetzliche Unterhaltspflicht durch eine Vereinbarung mit den Wunscheltern wirksam ausgeschlossen werden kann, ist derzeit gerichtlich noch nicht entschieden und zumindest sehr zweifelhaft.

urbs-media Praxistipp: In den letzten 20 Jahren wurden in Deutschland etwa 70.000 Kinder mittels Spendersamen gezeugt. Die Samenbanken verweisen dabei in ihren Beratungsunterlagen gerne darauf, das Risiko der Unterhaltspflicht für den Samenspender sei inzwischen durch das am 12.4.2002 in Kraft getretene so genannte Kinderrechteverbesserungsgesetz (BGBl 2002 I S. 1239) ausgeschlossen. In diesem Gesetz heißt es in § 1600 Abs. 2 BGB: "Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen".

Ob diese gesetzliche Regelung den Samenspender jedoch umfassend vor Unterhaltsforderungen und Erbansprüchen des Kindes schützt, darf jedoch stark bezweifelt werden. Denn das vom Bundesverfassungsgericht garantierte Recht des Kindes auf Kenntnis seiner biologischen Abstammung wird durch § 1600 BGB gerade nicht ausgeschlossen und darf auch vom Gesetzgeber ohne Verstoß gegen das Grundgesetz nicht ausgeschlossen werden. Folglich kann das Kind spätestens mit dem Eintritt der Volljährigkeit ohne Rücksicht auf mögliche vertragliche Vereinbarungen der "Eltern" die Vaterschaft anfechten und so seinen Unterhaltsanspruch gegen den Samenspender (z.B. für ein Studium) gerichtlich feststellen lassen.

Dass man mit einer Samenspende entgegen den vollmundigen Behauptungen zahlreicher Werbeanzeigen in Deutschland nicht reich werden kann, zeigt z.B. auch die Preisliste der Berliner Samenbank: Dort werden für eine Samenspende nämlich nur 105 Euro bezahlt. Für das Risiko langjähriger Unterhaltsverpflichtungen und wegen der erbrechtlichen Probleme ein eher lächerlicher Lohn. In England hat der Mangel an Spendersamen den Preis für eine Samenspende dagegen bereits auf ca. 5.000 Euro getrieben.



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