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Neue Regeln für die Berechnung von Vorfälligkeitsentschädigungen bei vorzeitigen Darlehenskündigungen


urbs-media, 31.3.2005: Wenn ein Darlehensnehmer einen Kredit vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit ablösen will, verlangen die Banken und Sparkassen eine sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung. Hierdurch lassen sich die Kreditinstitute den Zinsverlust für die vorzeitige Rückzahlung ersetzen, wenn sie das Geld am Kapitalmarkt nicht zu dem Zinssatz anlegen können, den sie für das Darlehen während der restlichen Zinsbindung bekommen hätten. Zur Höhe dieser Vorfälligkeitsentschädigung hat es in den letzten Jahren mehrere Urteile des Bundesgerichtshofs gegeben, die zugunsten der Darlehensnehmer bestimmte Mindeststandards bei der Berechnung festgelegt haben. So wurde z.B. im November 2000 festgelegt, dass die Kreditinstitute bei der Berechnung des Zinsschadens eine realitätsgerechte Ersatzanlage unterstellen müssen (BGH, Urteil vom 7.11.2000 - XI ZR 27/00). Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof jetzt präzisiert und bestimmte Berechnungsmethoden für die Vorfälligkeitsentschädigung zu Lasten der umschuldungswilligen Darlehensnehmer ausdrücklich für unzulässig erklärt (BGH, Urteil vom 30.11.2004 - XI ZR 285/03).

Bisher wurde die Vorfälligkeitsentschädigung bei der vorzeitigen Darlehensrückzahlung von den meisten Banken und Sparkassen auf Grundlage des Pfandbriefindexes (Pex-Index) ermittelt. Diesem PEX-Index liegt ein Portfolio von 30 synthetischen Pfandbriefen mit drei verschiedenen Kupons von 6 %, 7,5 % und 9 % und verschiedenen Laufzeiten von einem bis zu 10 Jahren zugrunde. Für diese synthetischen Pfandbriefe melden die Hypothekenbanken täglich ihre Renditen, zu denen sie Pfandbriefe tatsächlich emittiert haben bzw. emittieren möchten. Es werden also nicht nur reale Umsätze berücksichtigt, sondern auch bloße Angebote, in die subjektive Einschätzungen und Wünsche von Hypothekenbanken einfließen können. Der PEX-Index als Berechnungsgrundlage für die Vorfälligkeitsentschädigung kommt somit dem Bestreben der Kreditinstitute entgegen, eine möglichst niedrige Verzinsung der Ersatzanlage nachzuweisen und somit einen möglichst hohen Zinsschaden in Form der Vorfälligkeitsentschädigung geltend machen zu können.

Der Bundesgerichtshof verweist die Kreditinstitute zur Ermittlung des Zinsverlusts stattdessen auf die Kapitalmarktstatistik der deutschen Bundesbank. Die dort gestaffelt nach Restlaufzeiten nachgewiesenen Umlaufrenditen inländischer Schuldverschreibungen sind bei einer Wiederanlage von vorzeitig zurückgeflossenen Darlehen ohne weiteres zu erzielen.

Nach Einschätzung der Verbraucherzentrale Bremen sind die Vorfälligkeitsentschädigungen bisher in 95 Prozent der Fälle nicht in der vom Bundesgerichtshof geforderten Art und Weise ermittelt worden. Bei einem Kredit über 100.000 Euro mit einem Nominalzins von 5 Prozent und einer Restlaufzeit von 10 Jahren im Zeitpunkt der vorzeitigen Kreditablösung wurde den Kreditnehmer durch die vom BGH verworfenen "PEX-Berechnung" im Vergleich zur "Bundesbank-Methode" zwischen 800 und 2.000 Euro zuviel als Vorfälligkeitsentschädigung berechnet.

Wer für die vorzeitige Darlehenstilgung eine Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt hat, sollte daher sein Kreditinstitut fragen, ob die Art der Berechnung den Vorgaben der aktuellen BGH-Rechtsprechung entspricht und gegebenenfalls eine Neuberechnung der Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Dies gilt im übrigen auch für solche Fälle, die schon mehrere Jahre zurückliegen. So verjähren z.B. Rückzahlungsansprüche für im Jahr 2002 zuviel gezahlte Vorfälligkeitsentschädigungen nach § 195 BGB innerhalb von drei Jahren, also zum 31.12.2005. Zu beachten ist, dass die Verjährung aber erst dann beginnt, wenn der Gläubiger von dem Erstattungsanspruch erfahren hat (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Und hier könnte man argumentieren, dass die dreijährige Verjährungsfrist erst Ende 2004 beginnt, weil die betroffenen Darlehensnehmern erst durch das BGH-Urteil vom 30.11.2004 Kenntnis davon erhalten haben, dass ihnen gegebenenfalls ein Erstattungsanspruch zusteht. Wenn die Gerichte dieser Argumentation folgen, dann verjähren Erstattungsansprüche für überhöhte Vorfälligkeitsentschädigungen spätestens 10 Jahre nach der Zahlung (§ 199 Abs.4 BGB).

urbs-media Praxistipp: Die Rückzahlung eventuell überhöhter Vorfälligkeitsentschädigungen können nur diejenigen Kreditnehmer verlangen, die einen rechtlichen Anspruch auf vorzeitige Kreditablösung hatten. Dies ist nach der Rechtsprechung insbesondere dann der Fall, wenn das Darlehen aus Anlass eines Immobilienverkaufs vorzeitig zurückgezahlt wird.

Soll ein Kredit dagegen lediglich wegen günstigerer Zinsen umgeschuldet werden, haben Kreditnehmer keinen Anspruch auf vorzeitige Darlehenstilgung. In diesem Fall steht es folglich im Ermessen der Kreditinstitute, ob sie einer vorzeitigen Tilgung zustimmen oder nicht und welche Gegenleistung sie hierfür als Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Die Grenze bildet hier lediglich das allgemeine Wucherverbot. Mit anderen Worten: Sittenwidrig ist eine Vorfälligkeitsentschädigung in diesen Fällen nur dann, wenn sie den üblichen Betrag um mindestens 100 Prozent übersteigt (Bundesgerichtshof, Urteil vom 6.5.2003 - XI ZR 226/02).

Ein gesetzliches Kündigungsrecht für Festzinsdarlehen gibt es nach § 489 BGB. Hiernach kann der Darlehensnehmer nach Ablauf von 10 Jahren nach dem vollständigen Empfang der Darlehenssumme unter Einhaltung einer Frist von 6 Monaten kündigen. In diesem Fall hat das Kreditinstitut keinen Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung.



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