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Verbesserter Schutz für Anleger vor betrügerischen Anbietern von geschlossenen Immobilienfonds


urbs-media, 21.6.2004: Insbesondere nach der Wiedervereinigung sind in den neuen Bundesländern geschlossene Immobilienfonds wie Pilze aus dem Boden geschossen. Der Vertrieb dieser Objekte erfolgte dabei im Regelfall durch Anlagevermittler, die ihren Kunden neben den Anteilen an den Immobilienfonds auch die passende Finanzierung vermittelten, da nach dem Konzept der Fondsgesellschaften für den Beitritt zu den geschlossenen Immobilienfonds kein Eigenkapital erforderlich war. Dabei wurden den Anlegern hohe Steuervorteile und garantierte Mieteinnahmen versprochen, die sich im nachhinein regelmäßig als absolut unrealistisch erwiesen. Insbesondere die Mietgarantien waren wertlos, weil diese von völlig unterkapitalisierten GmbH's übernommen worden waren, die später allesamt Insolvenz anmelden mussten. Teilweise wurden die Einzahlungen von den Fonds-Managern auch veruntreut bzw. nur teilweise in Immobilien angelegt.

Wenn die geprellten Anleger dann die Verträge rückgängig machen wollten, stellten sich die kreditgebenden Banken und Sparkassen auf den Standpunkt, die Täuschung der Anleger durch die Vermittler führe allenfalls zu einer Anfechtbarkeit des Beitritts zu den Fondsgesellschaften, habe jedoch keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Finanzierungsvertrags. Mit anderen Worten: Die Ratenverpflichtungen liefen trotz des wegen arglistiger Täuschung angefochtenen Beitritts zu den Fondsgesellschaften weiter oder die Darlehensnehmer mussten den Kredit in einer Summe sofort tilgen.

Diese Rechtsauffassung wurde auch von den Oberlandesgerichten gestützt und beruhte im wesentlichen auf der Rechtsprechung des XI. Senats des Bundesgerichtshofs vom April 2002 zu den so genannten "Schrottimmobilien". Hiernach können sich die getäuschten Anleger gegenüber den Banken und Sparkassen auch bei so genannten verbundenen Rechtsgeschäften nicht darauf berufen, das kreditfinanzierte Geschäft wegen arglistiger Täuschung angefochten zu haben.

Für den Bereich der geschlossenen Immobilienfonds ist der II. Senat des Bundesgerichtshofs von dieser anlegerfeindlichen Rechtsprechung des XI. Senats nunmehr ausdrücklich abgerückt, wenn der Fondsbeitritt und der Kreditvertrag ein einheitliches Geschäft darstellen. Dies ist in der Praxis immer dann der Fall, wenn der Anlagevermittler neben dem Fondsbeitritt gleichzeitig auch die Finanzierung bei der Bank oder Sparkasse organisiert hat. Nach dem aktuellen BGH-Urteil müssen sich die Banken oder Sparkassen deshalb in diesen Fällen alle Einwendungen entgegenhalten lassen, die der Anleger gegen die Fondsverantwortlichen hat. Da diese wegen Täuschung des Anlegers verpflichtet sind, ihn so zu stellen, als wäre er dem Fonds nie beigetreten und als hätte er den Kreditvertrag nie geschlossen, hat das Kreditinstitut keinen Zahlungsanspruch gegen den Anleger. Umgekehrt hat der Anleger einen Anspruch gegen die Bank oder Sparkasse auf Rückzahlung all dessen, was er aus seinem eigenen Vermögen - nicht aus den Erträgnissen des Fonds - an das Kreditinstitut gezahlt hat. Dafür muss er seine Ansprüche gegen den Fonds und die Fondsverantwortlichen an das Kreditinstitut abtreten und sich etwaige Steuervorteile anrechnen lassen.

Die gleiche Rechtsfolge ergibt sich aus § 312 BGB (dem ehemaligen Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften). Wurden die Immobilienverträge in der Wohnung des Anlegers oder an dessen Arbeitsplatz abgeschlossen oder angebahnt, dann hat er das Recht, seine Vertragserklärungen zu widerrufen. Wurde der Verbraucher über sein Widerrufsrecht nicht ordnungsgemäß belehrt, kann der Vertrag auch noch nach Jahren widerrufen werden, weil dieses Widerrufsrecht nach Aussage des Bundesgerichtshofs dann zeitlich unbefristet besteht.

Ein Widerrufsrecht von derartigen Verträgen über den Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds kommt außerdem in Betracht, wenn die schriftlichen Kreditverträge nicht die nach dem Verbraucherkreditgesetz vorgeschriebenen Mindestangaben enthalten (jetzt § 492 BGB). Eine Heilung durch Auszahlung des Kredits kann in diesen Fällen nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht eintreten, weil der Kredit nicht an den Anleger, sondern an die Fondsgesellschaft geflossen ist. Auch spiele es keine Rolle, dass die Fondsgesellschaft bereits zuvor auf dem zu bebauenden Grundstück ein Grundpfandrecht zur Sicherung der Bank bestellt hatte. Zwar kommen die Schutzvorschriften des Verbraucherkreditgesetzes bzw. der §§ 488 ff. BGB bei so genannten Realkrediten (Krediten, die grundpfandrechtlich gesichert sind) nicht zur Anwendung. Das gilt nach Auffassung des II. Zivilsenats aber nicht, wenn das Grundpfandrecht schon bestellt worden ist, bevor der Anleger dem Fonds beigetreten ist.

Verträge über den Beitritt zu geschlossenen Immobilienfonds können nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs außerdem dann unwirksam sein, wenn die Anleger die Vertragserklärungen nicht selbst abgegeben haben, sondern dabei von einem Treuhänder vertreten worden sind. Dieser Treuhänder können nur dann wirksam im Namen ihrer Auftraggeber Verträge abschließen, wenn sie nach dem Rechtsberatungsgesetz eine Erlaubnis zur Besorgung von Rechtsangelegenheiten haben, also über eine Rechtsanwaltszulassung verfügen. Da dies im Regelfall nicht der Fall ist, sind die Kreditverträge zusätzlich deshalb unwirksam, weil sie von einem vollmachtlosen Vertreter abgeschlossen worden sind. Auch in diesem Fall schuldet der Anleger nicht die Rückzahlung des Kredits, sondern nur Abtretung seiner Fondsbeteiligung an die finanzierende Bank.

Folglich haben Privatpersonen, die entweder durch Täuschung oder in ihrer Wohnung oder unter Beteiligung eines nicht zur Besorgung von Rechtsangelegenheiten zugelassenen Treuhänders oder ohne hinreichende Belehrung über die Kreditkonditionen zu einem kreditfinanzierten Fondsbeitritt bewogen worden sind, grundsätzlich keine Zahlungspflichten gegenüber der finanzierenden Bank oder Sparkasse. Wegen der Berechnung der Rückzahlungsansprüche hat der Senat die Sachen jeweils an die Oberlandesgerichte zurückverwiesen.

(Bundesgerichtshof, Urteile vom 14.6.2004 - II ZR 392/01; II ZR 395/01; II ZR 374/02; II ZR 385/02; II ZR 393/02 und II ZR 407/02)

urbs-media Praxistipp: Der Schwenk der Rechtsprechung in Richtung auf mehr Anlegerfreundlichkeit ist nicht ganz freiwillig. Denn vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) läuft derzeit ein Verfahren, mit dem die Rechtsprechung des XI. BGH-Senats zu den Schrottimmobilien korrigiert werden soll (C 350/03). Hierbei geht es nach Auskunft von Experten bundesweit um etwa 300.000 Geschädigte, die wegen der bankenfreundlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs derzeit keine Chance haben, aus den für sie nachteiligen Verträgen über die Finanzierung von wertlosen Immobilien heraus zu kommen.

Die Bundesregierung hat sich zwar auf die Seite der Banken geschlagen und tritt für eine Abweisung der Klage ein, für die Geschädigten Anleger haben sich aber nicht nur die EU-Kommission, sondern z.B. auch die Regierungen von Frankreich und Italien stark gemacht. Wir vermuten daher, dass der EuGH noch in diesem Jahr verbindlich feststellen wird, dass die bisherige Rechtsprechung des XI. BGH-Senats gegen europäisches Verbraucherschutzrecht verstößt und damit unwirksam ist. Sollte sich diese Vermutung bewahrheiten, dann kommen auf einige Banken und Sparkassen in Deutschland Wertberichtigungen von mehreren Milliarden Euro zu, weil die betrogenen Immobilienbesitzer dann allenfalls den tatsächlichen Wert der Immobilie an die Banken zahlen müssen, wenn sie den Kreditvertrag kündigen. Dies mag auch der Grund dafür sein, warum die Bundesregierung die verbraucherfeindliche Rechtsprechung des BGH in Sachen "Schrottimmobilien" mit so viel Einsatz in Luxemburg verteidigt. Von der so genannten Verbraucherschutzministerin im Bundeskabinett hat man in dieser Angelegenheit im übrigen noch nichts gehört.



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