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Wer haftet, wenn durch Lebensversicherungen zu tilgende Baudarlehen nicht in voller Höhe aus der Versicherungssumme abgelöst werden können?


urbs-media, 19.1.2004: In den letzten Jahren sind Baufinanzierungen durch Lebensversicherungen immer mehr in Mode gekommen. Bei dieser Finanzierungsform werden Darlehensvertrag und Lebensversicherung derart miteinander verbunden, dass der Kredit am Ende der Laufzeit aus der der fälligen Kapital-Lebensversicherung abgelöst werden kann. Mit anderen Worten: Die Darlehensschuld zum Fälligkeitstermin entspricht der von den Versicherungsunternehmen prognostizierten Ablaufleistung (Versicherungssumme einschließlich Gewinnbeteiligungen). Finanzexperten gehen davon aus, dass es derzeit Baufinanzierungen im Gesamtwert von etwa 100 Mrd. Euro in Kombination mit Lebensversicherungsverträgen gibt.

Wegen der Kursverluste auf dem Aktienmarkt mussten jedoch zahlreiche Versicherungsunternehmen in den vergangenen Jahren ihre Überschussbeteiligungen drastisch senken. Dies hat zur Folge, dass bei den durch eine Lebensversicherung finanzierten Baudarlehen zum Fälligkeitszeitpunkt eine teilweise erhebliche Lücke zwischen der Darlehensschuld und der Versicherungsleistung klafft. In einem vom Fernsehmagazin Plus-Minus am 14.1.2004 genannten Fall hatte die Versicherung z.B. angekündigt, statt der bei Vertragsabschluss "versprochenen" Ablaufleistung von 511.000 Euro könne der Versicherungsnehmer zum Fälligkeitszeitpunkt im Jahre 2010 nur mit 346.000 Euro rechnen. Zur Tilgung des ebenfalls im Jahre 2010 fälligen Hausdarlehens fehlen dem Bauherren somit voraussichtlich 165.000 Euro.

In derartigen Fällen stellt sich für die Betroffenen dann zwangsläufig die Frage, wer das Risiko für eine derartige "Unterdeckung" des für die Darlehensrückzahlung vorgesehenen Lebensversicherungsvertrags trägt. Für die Banken und Sparkassen ist diese Frage im Regelfall einfach zu beantworten: Der Kunde haftet in voller Höhe für das ihm gewährte Baudarlehen und das Risiko einer eventuell nicht ausreichenden Leistung aus der zur Finanzierung vorgesehenen Lebensversicherung geht voll zu seinen Lasten.

Allerdings gibt es in diesem Zusammenhang ein interessantes Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe. Hiernach haften die Kreditinstitute unter Umständen für den Fehlbetrag und müssen sich für die Darlehenstilgung mit der von der Lebensversicherung tatsächlich gezahlten Ablaufleistung begnügen. Die Kreditinstitute können in einem derartigen Fall die verbleibende Differenz zwischen der Lebensversicherungssumme und dem Darlehensbetrag nur dann vom Kreditnehmer verlangen, wenn sich eine derartige Einstandspflicht eindeutig aus den Regelungen des Darlehensvertrags ergibt.

In dem vom OLG Karlsruhe entschiedenen Fall lautete die entsprechende Tilgungsklausel in dem Darlehensvertrag wie folgt:

Das Darlehen wird getilgt durch eine bei der Ö. M. abzuschließende bzw. bereits bestehende Lebensversicherung als Tilgungslebensversicherung. Während der Dauer des Schuldverhältnisses werden die Rechte und Ansprüche aus dieser Lebensversicherung mit besonderer Erklärung, die einen wesentlichen Bestandteil dieses Darlehensvertrages bildet, an die Sparkasse abgetreten.

Bei Fälligkeit des Darlehens ergab sich im Vergleich zur Ablaufleistung der Lebensversicherung ein Fehlbetrag von etwa 89.000 DM, den die Sparkasse vom Darlehensnehmer gerichtlich einklagen wollte. Das OLG Karlsruhe kam in seinem Urteil zu dem Ergebnis, dass die entsprechende Tilgungsabrede dahingehend zu verstehen sei, dass die Rückzahlung des Darlehens ausschließlich aus der Lebensversicherung zu erfolgen habe. Der Darlehensnehmer habe daher seine vertraglichen Verpflichtungen dadurch erfüllt, dass er die entsprechenden Prämien jeweils pünktlich gezahlt habe. Das Risiko einer eventuellen Unterdeckung sei daher von dem Kreditinstitut zu tragen.

(OLG Karlsruhe, Urteil vom 4.4.2003 - AZ 15 U 8/02; WM 2003 S. 2412)

urbs-media Praxistipp: Wer ein über Lebensversicherungen zu tilgendes Darlehen aufgenommen hat, sollte sich rechtzeitig darüber informieren, ob sein Vertrag nach den vom OLG Karlsruhe genannten Kriterien zu beurteilen ist. Wegen der im Regelfall hohen Beträge, die hierbei auf dem Spiel stehen, empfehlen wir, im Zweifelsfall ein Anwalt zu konsultierten.

Vermutlich werden auch die Kreditinstitute ihre Darlehensverträge auf mögliche Schwachstellen durchforsten. Hier besteht dann die Möglichkeit, dass die Banken und Sparkassen versuchen, die entsprechenden Tilgungsklauseln zu ihrem Vorteil abzuändern. Wer daher von seinem Kreditinstitut aufgefordert wird, einen neuen Darlehensvertrag zu unterschreiben (z.B. mit angeblich reduzierten Zinsen), der sollte diesem Ansinnen sehr misstrauisch begegnen. Möglicherweise dient dieses Vorgehen nämlich nur dem Zweck, eine nach der Rechtsprechung zu Lasten der Kreditinstitute auszulegende Tilgungsklausel dahingehend abzuändern, dass künftig der Kreditnehmer das volle Risiko dafür trägt, ob die Ablaufleistung der Lebensversicherung zur Darlehenstilgung ausreicht.



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