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Sparer sollten bei festverzinslichen Anleihen derzeit langfristige Kapitalanlagen unbedingt meiden


urbs-media, 18.7.2003: Die niedrigen Zinsen in Europa machen nicht nur den Sparen zu schaffen, auch die Banken und Sparkassen leiden unter der Zurückhaltung der privaten Kapitalanleger. Daher liegen derzeit in Deutschland mehrstellige Milliardenbeträge auf Festgeldkonten oder gar auf Girokonten und warten auf bessere Rahmenbedingungen für Kapitalanlagen.

Zahlreichen Kreditinstituten versuchen daher, diese kurzfristigen Kundengelder langfristig zu binden. Die entsprechenden Kunden werden von den Anlageberatern angerufen oder angeschrieben und darüber "informiert", dass bei einer kurzfristigen Anlageform die Gefahr besteht, dass das Vermögen an jedem Tag effektiv an Wert verliert. Begründet wird dies mit der Senkung der Zinsen durch die Europäische Zentralbank (EZB), die am 5.6.2003 den Leitzins um 0,5 Prozentpunkte auf 2 Prozent gesenkt hatte.

Wir halten diese Versuche, kurz- und mittelfristige Geldanlagen in langfristige Anlageformen umschichten zu lassen, derzeit jedoch für unseriös. Denn gegenwärtig befindet sich Europa in einem historischen Zinstief. Konkret sind die Leitzinsen in Deutschland auf den tiefsten Stand seit 50 Jahren gefallen. Wer hier als Kapitalanleger 10.000 Euro z.B. in eine 10-jährige Bundesanleihe mit einer effektiven Rendite von 4 Prozent investiert, der hat ohne Berücksichtigung von Zinseszinsen im Jahr 2013 ein Vermögen von 14.000 Euro.

Sollten die Zinsen innerhalb von 10 Jahren wieder steigen - und davon ist mit Sicherheit auszugehen - muss der Anleger bei einer vorzeitigen Veräußerung der Bundesanleihe sogar noch einen erheblichen Kursverlust hinnehmen. Denn steigende Zinsen führen bei festverzinslichen Anleihen zu einem Rückgang des aktuellen Kurswertes. Die Höhe dieses Kursverlusts hängt dabei von der Restlaufzeit und dem eingetretenen Zinsanstieg ab.

    Beispiel: Die Marktrendite liegt bei 5 Prozent. Eine 10-jährige Staatsanleihe wird dementsprechend zum Kurswert von 100 verkauft. Anleger A erwirbt hiervon Anteile im Wert von 10.000 Euro. Innerhalb der nächsten 4 Jahre steigen die marktüblichen Zinsen auf 7 Prozent, die Restlaufzeit der Anleihe beträgt zu diesem Zeitpunkt noch 6 Jahre.

    Der Kursverlust der Staatsanleihe mit einem Kupon von 5 Prozent berechnet sich wie folgt (ohne Berücksichtigung von Zinseszinsen):

    Innerhalb der Restlaufzeit bringt die Anleihe pro Jahr 5 Prozent Zinsen, insgesamt in den noch offenen 6 Jahren also 30 Prozent. Bei einer aktuelle Anleihe könnte der Anleger dagegen einen jährlichen Zins von 7 Prozent erzielen, innerhalb von 6 Jahren also insgesamt 42 Prozent.

    Die alte Anleihe zu 5 Prozent hat somit während der Restlaufzeit gegenüber den neuen Anleihen zu 7 Prozent einen Zinsnachteil von 12 Prozent. Dementsprechend fällt der Kurs der Staatsanleihe mit einem Zinssatz von 5 Prozent zum Ende des vierten Jahres auf nur noch 88 Prozent. Mit anderen Worten: Bei einer vorzeitigen Veräußerung erhält Anleger A für die investierten 10.000 Euro nur noch 8.800 Euro. Da er in den vergangenen 4 Jahren 2.000 Euro als Zinsen eingenommen hat (4 x 500 Euro), beträgt sein Kapital nach Ablauf von 4 Jahren 10.800 Euro. Dies entspricht einer jährlichen Rendite von 2 Prozent.

Vor einer derartigen Situation werden vermutlich in einigen Jahren auch diejenigen Sparer stehen, die jetzt ihr Kapital langfristig in festverzinsliche Wertpapiere anlegen. Die Zeichen stehen derzeit zwar noch weiter in Richtung "Zinssenkung", die Zinsen in Europa werden jedoch mit Sicherheit schon bald ihren Tiefstpunkt erreicht haben. Denn rein rechnerisch ist bei einem Leitzins der EZB von derzeit 2 Prozent kaum noch Spielraum für weitere Zinssenkungen.

Dass historisch niedrige Zinsen nicht als Grundlage für einen Wirtschaftsaufschwung ausreichen, musste z.B. auch die japanische Notenbank erkennen. Die dort im Vergleich zu Europa noch niedrigeren Zinsen haben nämlich dazu geführt, dass die Sparer in Japan an Kapitalanlagen kaum noch Interesse haben und ihr Vermögen als Tages- oder Monatsgeld anlegen. Dementsprechend stehen den Kreditinstituten dann auch keine ausreichenden Mittel zur Verfügung, um ihren Kunden bei einem wirtschaftlichen Aufschwung langfristige Kredite gewähren zu können.

urbs-media Praxistipp: Dass derzeit langfristige Kapitalanlagen keinen Sinn machen, ergibt sich aus einer einfachen Musterrechnung. Dabei wird unterstellt, dass die Zinsen von gegenwärtig 4 Prozent für 10-jährige Staatsanleihen der Bundesregierung innerhalb der nächsten 2 Jahre steigen werden.

Wer jetzt 10.000 Euro in einer Bundesanleihe anlegt, erhält eine jährliche Rendite von 4 Prozent. Nach Ablauf von 10 Jahren beträgt das Kapital somit 14.000 Euro (ohne Berücksichtigung von Zinseszinsen).

Wenn ein Anleger jedoch in der Erwartung langfristig steigender Zinsen sein Geld zunächst nur kurzfristig anlegt, kann er innerhalb dieser Zeit eine jährliche Rendite von 2 Prozent erzielen. Dies ergibt nach Ablauf von 2 Jahren ein Kapital von 10.400 Euro.

Wenn sich nach Ablauf dieser 2 Jahre die Zinsen von gegenwärtig 4 Prozent erhöht haben, ergeben sich für die restlichen 8 Jahre folgende Zinserträge:

  1. Die Zinsen steigen auf 4,5 Prozent: Innerhalb der restlichen 8 Jahre erzielt der Anleger bei einer Anlagesumme von 10.000 Euro einen Ertrag von 3.600 Euro.

  2. Die Zinsen steigen auf 5,0 Prozent: Innerhalb der restlichen 8 Jahre erzielt der Anleger bei einer Anlagesumme von 10.000 Euro einen Ertrag von 4.000 Euro.

  3. Die Zinsen steigen auf 6,0 Prozent: Innerhalb der restlichen 8 Jahre erzielt der Anleger bei einer Anlagesumme von 10.000 Euro einen Ertrag von 4.800 Euro.
Unter Berücksichtigung der bei einem kurzfristigen Anlagezins von 2 Prozent in 2 Jahren erzielten 400 Euro hat der Anleger bereits bei einem Zinsanstieg von 0,5 Prozentpunkten den gleichen Ertrag wie bei einer Festanlage für 10 Jahre zu 4 Prozent (Fall a).

Steigen die Zinsen um 1 Prozentpunkt (Fall b), hat der Anleger zusammen mit der vorgeschalteten kurzfristigen Anlage bereits einen Mehrerlös von 400 Euro im Vergleich zur sofortigen langfristigen Kapitalanlage (dies entspricht einer kompletten Jahresrendite).

Steigen die Zinsen nach 2 Jahren gar um 2 Prozentpunkte, dann ergibt sich bei einer vorgeschalteten kurzfristigen Anlage sogar ein Mehrerlös von 800 Euro (Fall c).

Langfristige Kapitalanlagen sind daher für die Anleger gegenwärtig unter dem Strich eine schlechte Investition. Nutznießer wäre vermutlich in erster Linie die Bundesregierung, die für die jetzt geplante zusätzliche Neuverschuldung möglichst zinsgünstige und langfristige Kredite (z.B. in Form von Bundesanleihen oder Bundesschatzbriefen) benötigt. Im Interesse der Kapitalanleger sind derartige Anlageempfehlungen jedoch mit Sicherheit nicht!



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