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Die Rechte von Minderheitsaktionären bei der "übertragenden Auflösung" von Aktiengesellschaften durch Großaktionäre


urbs-media, 18.9.2000: Die Anteile von zahlreiche an den deutschen Börsen notierte Aktiengesellschaften befinden sich nur zur einem geringen Prozentsatz im Streubesitz. Die Mehrheit der Aktien wird dann von Großaktionären und insbesondere anderen Konzernen gehalten. Besonders dann, wenn die Mehrheitsaktionäre andere Unternehmen sind, richtet sich die Firmenpolitik dieser kleineren Unternehmen nicht in erster Linie nach den Interessen der Anteilseigner, sondern muss sich häufig den globalen Interessen und Plänen der Muttergesellschaften unterordnen.

Dies mussten z.B. die Minderheitsaktionäre der ehemaligen Firma Moto Meter AG erfahren. Die Anteile der Moto Meter AG befanden sich zu 99 Prozent im Besitz der Bosch GmbH. Die Bosch GmbH als Muttergesellschaft wollte die Moto Meter AG vollständig in ihren Konzern einbinden und dazu die Aktien der verbliebenen Minderheitsaktionäre übernehmen. Nachdem es ihr nicht gelungen war, im Rahmen eines Kaufangebots sämtliche ausstehenden Aktien zu erwerben, beschloss die Bosch GmbH, das Vermögen der Moto Meter AG vollständig auf eine ihr zu 100 % gehörende Tochtergesellschaft zu übertragen und sodann die Moto Meter AG zu liquidieren. Dieses Verfahren nennt man auch "übertragende Auflösung".

Die zu diesem Vorgehen nach dem Aktienrecht erforderlichen Beschlüsse zur Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens sowie zur Liquidation traf die Hauptversammlung der Moto Meter AG mit den Stimmen der Muttergesellschaft gegen die Stimmen der Minderheitsaktionäre. Die Minderheitsaktionäre verloren mithin mit der Liquidation ihre Beteiligung an der Moto Meter AG. Sie erhielten dafür im Rahmen des Liquidationsverfahrens den ihnen zustehenden Anteil an dem Liquidationserlös, welcher im Wesentlichen aus dem Preis für das Gesellschaftsvermögen bestand. Diesen Wert hatte die Muttergesellschaft selbst festgelegt.

Die Klagen der ausgebooteten Minderheitsaktionäre gegen die entsprechenden Beschlüsse der Hauptversammlung wurden von den ordentlichen Gerichten in allen Instanzen abgewiesen. Die Zivilgerichte stellten sich dabei auf den Standpunkt, ein Anspruch auf angemessene Abfindung und ein darauf gerichtetes Spruchverfahren sei bei einer übertragenden Auflösung vom geltenden Recht nicht vorgesehen. Hiergegen hatte die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre e.V. Verfassungsbeschwerde erhoben.

Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu entschieden, dass auch die Anteilsrechte von Aktionären dem Schutz des Art. 14 GG unterliegen (Eigentumsgarantie). Minderheitsaktionäre sind zwar nicht davor geschützt, dass Mehrheitsaktionäre im Wege der übertragenden Auflösung ein Unternehmen vollständig unter ihre Kontrolle bringen. Ein solches Vorgehen ist allerdings nur dann rechtlich zulässig, wenn die Minderheitsaktionäre für den Verlust ihrer Aktien wirtschaftlich voll entschädigt werden und dies rechtlich auch entsprechend abgesichert ist.

(Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23.8.2000 - 1 BvR 68/95 und 1 BvR 147/97)

urbs-media Praxistipp: Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde zwar im Ergebnis nicht zur Entscheidung angenommen und die klageabweisenden Urteile damit bestätigt. Grund hierfür war, dass die Beschwerdeführerin (die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre) nur zwei Aktien der Moto Meter AG besaß. Damit, so das BVerfG, habe die Beschwerdeführerin durch die Klageabweisung nur einen geringen wirtschaftlichen Nachteil erlitten.

Das Urteil besagt damit andererseits, dass das Gericht der Verfassungsbeschwerde stattgegeben hätte, wenn es sich um eine Kapitalanlage von wirtschaftlicher Bedeutung gehandelt häte. Die Zivilgerichte werden daher in Zukunft bei derartigen übertragenden Auflösungen nicht umhin kommen, auch zu prüfen, ob die gezahlte Entschädigung angemessen ist.

Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht für den Fall der Firmenübernahme erst kürzlich entschieden, dass Minderheitsaktionäre bei Firmenzusammenschlüssen im Regelfall mit einem Betrag abgefunden werden müssen, der mindestens dem aktuellen Börsenwert der Anteile entspricht (Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 27.4.1999 - 1 BVR 1613/94).



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