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Die deutschen Beschränkungen beim Auslands-BaföG für Studienanfänger sind europarechtswidrig


urbs-media, 29.10.2007: Wenn man die Stellenausschreibungen großer Unternehmen liest, dann ist "Auslandserfahrung" oft ein wichtiges Einstellungskriterium. Folglich versuchen viele Studenten, schon während ihres Hochschulstudiums einige Semester an einer ausländischen Universität zu studieren. Wer die entsprechenden Kosten nicht aus eigener Tasche tragen kann, der hat nach deutschem Recht auch grundsätzlich einen Anspruch auf Gewährung von Ausbildungsförderung (das so genannte Auslands-BaföG).

Allerdings verlangt § 5 Abs. 2 Ziffer 3 BaföG, dass BaföG-Bewerber vor dem Beginn eines Auslandstudiums mindestens für ein Jahr ein Studium in Deutschland absolviert haben müssen. Folglich ist es für Studienanfänger aus Deutschland unmöglich, im Ausland durch BaföG gefördert zu werden und entsprechende Anträge werden von den zuständigen BaföG-Ämtern unter Hinweis auf § 5 Abs. 2 Ziffer 3 BaföG generell abgelehnt.

Der Europäische Gerichtshof hat die entsprechenden deutschen Regeln jetzt für unwirksam erklärt, weil sie die im EU-Vertrag garantierte Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union rechtswidrig einschränken. Im Urteilsfall hatte eine deutsche Staatsbürgerin gegen den Ablehnungsbescheid geklagt, die nach ihrem Abitur zunächst ein Jahr in England als Au-pair-Kraft gearbeitet hatte und anschließend an einer britischen Universität ein Studium aufnehmen wollte (EuGH, Urteil vom 23.10.2007 - C 11/06).

In einer weiteren Entscheidung von gleichen Tag hat der Europäische Gerichtshof außerdem eine weitere Vorschrift des deutschen Ausbildungsförderungsgesetzes für unwirksam erklärt. Zwar entfällt das Erfordernis eines mindestens einjährigen inländischen Studienabschnitts, wenn es sich bei den Studenten um so genannte Grenzgänger handelt, die von Deutschland aus regelmäßig über die Grenze zu einer ausländischen Universität pendeln (§ 5 Abs. 1 BaföG). Wenn ein Studienanfänger jedoch eigens zum Zweck der Studienaufnahme im Ausland ins deutsche Grenzgebiet zieht (im Urteilsfall von Bonn nach Düren), dann neigen die deutschen Behörden dazu, hier nur einen "Scheinwohnsitz" zu unterstellen und verweigern ebenfalls jegliche BaföG-Leistungen. Auch diese Praxis verstößt eindeutig gegen europäisches Recht (EuGH, Urteil vom 23.10.2007 - C 12/06).

urbs-media Praxistipp: Unter Umständen kann es sich auch aus rein finanziellen Erwägungen lohnen, BaföG-Leistungen für ein Auslandsstudium zu beantragen. Denn Auslands-BaföG können Studenten häufig auch dann erhalten, wenn Sie im Inland keinen Anspruch auf BaföG haben, da für das Studium im Ausland andere Bemessungsgrenzen und höhere Freibeträge gelten.

Verblüffend ist eine Pressemitteilung des Bundesbildungsministeriums vom 23.10.2007, in dem das EuGH-Urteil ausdrücklich begrüßt wird. Denn ein Blick in die von den Verfahrensbeteiligten gestellten Prozessanträge zeigt, dass die Bundesregierung in Wahrheit mit Zähnen und Klauen dafür gekämpft hat, die förderungsrechtlichen Einschränkungen für Auslandsstudien auch in Zukunft beizubehalten. Hierzu heißt es in den Gerichtsunterlagen: "Die deutsche Regierung trägt vor, das Erfordernis einer ersten Ausbildungsphase stelle keine Beschränkung des Rechts auf Freizügigkeit und auf freien Aufenthalt im Sinne des Art. 18 EG dar; hilfsweise, für den Fall des Bestehens einer solchen Beschränkung, machen sie geltend, dass diese zu rechtfertigen und verhältnismäßig sei." Scheinheiliger geht es nun wirklich nicht, zumal bei den Verantwortlichen in der Bundesregierung rudimentäre Grundkenntnisse des Europarechts ausgereicht hätten, um die jetzt getroffene EuGH-Entscheidung genau so vorherzusagen.

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