AfA-Tabellen auf CD
AfA-Tabellen
auf CD-ROM
urbs - media GbR
– Ihr gutes Recht im Internet –
Startseite von urbs-media - www.urbs.de  Homepage
Zur übersicht: Alle aktuellen Kurz-Infos  Übersicht

Für Wasseranschlüsse wurden den Grundstückseigentümern in Deutschland über Jahre hinweg ein zu hoher Mehrwertsteuersatz berechnet


urbs-media, 15.6.2009: Wer sich in Deutschland von den örtlichen Wasserwerken einen neuen Hausanschluss für Frischwasser legen ließ oder an seinem Anschluss Reparaturen durchführen ließ, der musste bisher auf den Rechnungsbetrag den vollen Mehrwertsteuersatz bezahlen, also 16 Prozent bis Ende des Jahres 2006 und 19 Prozent seit Januar 2007. Als Rechtsgrundlage hierfür wurde von der Finanzverwaltung ein BMF-Schreiben vom 4.7.2000 (BStBl. 2000 I S. 1185) genannt, wonach lediglich für die Lieferung von Wasser der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 Prozent gilt, nicht jedoch für Arbeiten an den Wasseranschlüssen.

Der Europäische Gerichtshof hat dann jedoch mit Urteil vom 3.4.2008 entschieden, dass diese von den deutschen Finanzbehörden aufgestellte Regelung nicht mit dem EU-Recht zu vereinbaren ist (Rs. C-442/05). Konkret ist es zwar den EU-Mitgliedsstaaten erlaubt, das Legen eines Hausanschlusses von der grundsätzlichen Steuerermäßigung für die "Lieferung von Wasser" ausschließen, hierfür sei jedoch eine ausdrückliche gesetzliche Regelung erforderlich. Lediglich im Wege eines BMF-Schreibens könne die deutsche Finanzverwaltung daher nicht anordnen, dass für Arbeiten an Hausanschlüssen der volle Mehrwertsteuersatz gelte.

Der Bundesfinanzhof hat aus dieser Grundsatzentscheidung des EuGH nunmehr die Konsequenzen gezogen und in zwei Urteilen entschieden, dass es gegenwärtig in Deutschland keine Rechtsgrundlage dafür gibt, für die Herstellung von Wasseranschlüssen durch die Wasserversorgungsbetriebe den vollen Mehrwertsteuersatz anzusetzen.

(Bundesfinanzhof, Urteil vom 8.10.2008 - V R 61/03 und V R 27/06)

urbs-media Praxistipp: Wer seit dem 12.8.2000 für Leistungen, die im Zusammenhang mit dem Trinkwasser-Hausanschluss stehen, entsprechend der damals geltenden Praxis den vollen Umsatzsteuersatz von 16 Prozent bzw. 19 Prozent seit 1.1.2007 entrichten musste, der hat gegen seinen Wasserversorger Anspruch auf Rückzahlung der zuviel berechneten Umsatzsteuer. Dabei gilt der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent nicht nur bei Neuanschlüssen, sondern auch bei Veränderungen, Reparaturen und Auswechslungen.

Beispiel:

Familie A lässt im Jahr 2008 für ihren Neubau von den Stadtwerken XY einen Wasseranschluss herstellen. Hierfür werden ihr Kosten in Höhe von 2.500 Euro zuzüglich 19 Prozent Mehrwertsteuer, insgesamt also 2.975 Euro, in Rechnung gestellt.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof hätten die Stadtwerke statt eines Mehrwertsteuersatzes von 19 Prozent jedoch nur eine Mehrwertsteuer in Höhe von 7 Prozent ansetzen dürfen. Statt 2.975 Euro hätte Familie A bei korrekter Berechnung also nur insgesamt 2.675 Euro für ihren Wasseranschluss zahlen mássen.

Die Stadtwerke XY sind verpflichtet, den Differenzbetrag von 300 Euro zu erstatten. Den erforderlichen Antrag sollte Familie A möglichst schnell stellen, um mögliche Einwände der Statwerke hinsichtlich einer Verjährung auszuschließen.

Es besteht nämlich Streit darüber, ob derartige Rückforderungsansprüche nicht möglicherweise teilweise verjährt sind. Eine derartige Verjährungseinrede wird tatsächlich von einigen Stadtwerken erhoben, während andere Wasserversorger ihren Kunden die zuviel gezahlte Umsatzsteuer ohne zeitliche Einschränkung erstatten und somit auf den Verjährungseinwand verzichten wollen (z.B. die Berliner Wasserbetriebe und die Stadtwerke Hannover und Heidenheim), die in ihrem Internetauftritt ausdrücklich darauf hinweisen, für derartige Anträge auf Rückzahlung sei keine Frist zu beachten.

Nach dem Gesetzeswortlaut können die Wasserversorger sich dagegen tatsächlich teilweise auf Verjährung berufen. So machen z.B. die Stadtwerke Rothenburg geltend, dass nur noch solche Rechnungen berichtigt werden können, die nach dem 31.12.2004 ausgestellt wurden. Voraussetzung ist jedoch, dass der Anspruch bis spätestens 31.12.2009 geltend gemacht wird. Ab 2010 können dann entsprechend nur noch Rückzahlungsansprüche für Rechnungen aus dem Jahr 2006 geltend gemacht werden.

Wer das Pech hat, Kunde eines Wasserversorgers zu sein, der eine Rückerstattung mit Hinweis auf die inzwischen eingetretene Verjährung verweigert, hat also keine rechtliche Handhabe, seinen Anspruch gerichtlich durchzusetzen. Dann bleibt den geschädigten Grundstücksbesitzern eigentlich nur die Möglichkeit, dieses Weigerung als Anlass für einen Anbieterwechsel zu nutzen. Zwar kann man in Deutschland seinen Wasserlieferanten nicht frei aussuchen, in vielen Orten ist der Wasserlieferant jedoch mit dem Strom- und / oder Gasanbieter identisch. Dann könnte die Drohung mit einem kompletten Wechsel die Stadtwerke möglicherweise dazu veranlassen, auf freiwilliger Basis die falsche Umsatzsteuerberechnung nach § 130 Abs. 1a der Abgabenordnung doch noch zu Gunsten der Bürger zu berichtigen und den zuviel abgerechneten Steuerbetrag zu erstatten.



urbs-media GbR
http://www.urbs.de