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Guthaben aus einem "vergessenen" Sparbuch unterliegen nicht der Verjährung


urbs-media, 20.6.2011: Die Unterscheidung von "Mein" und "Dein" ist ein wichtiger Grundpfeiler des menschlichen Zusammenlebens. Deshalb heißt es auch schon in der Bibel im siebten Gebot: "Du sollst nicht stehlen". Dieser christliche Glaubensgrundsatz gilt aber offensichtlich nicht im Bereich der Kreditinstitute. Dort ist nämlich "Dein" zuweilen einfach "Meine-Meine-Meine". Und das dergestalt ergaunerte Vermögen wird dann auch noch mit Zähnen und Klauen durch mehrere Gerichtsinstanzen gegen den wirklichen Berechtigten verteidigt.

Der Hintergrund: Ein Vater hatte vor etwa 50 Jahren für seinen damals minderjährigen Sohn bei der Dresdner Bank in Wuppertal ein Sparkonto mit etwa 100.000 DM eröffnet. Als der Vater kurz darauf verstarb, blieb das Sparbuch im Besitz der Mutter, die die Angelegenheit offenbar vergaß. Erst im Jahr 2006 nach dem Tod der Mutter tauchte das Sparbuch im Nachlass der Mutter wieder auf. Die Dresdner Bank wollte das Sparbuch jedoch nicht anerkennen und verweigerte dem Sohn die Auszahlung des Guthabens, mit Zins und Zinseszins inzwischen gut 300.000 Euro.

Auf die Klage des Sohnes hin verurteilte das Landgericht Frankfurt die Commerzbank als Rechtsnachfolgerin der Dresdner Bank zur Auszahlung des Guthabens. Denn ein Gutachter hatte die Echtheit des Sparbuchs bestätigt und den von der beklagten Bank erhobenen Einwand der Verjährung hielt das Landgericht Frankfurt nicht für stichhaltig.

Dennoch ging die Commerzbank in Berufung und verfolgte Ihr Ziel (Klageabweisung) weiter. Aber auch die Richter beim Oberlandesgericht Frankfurt bestätigten jetzt den Anspruch auf Auszahlung des Guthabens und stellten eindeutig klar: Forderungen aus Sparbüchern unterliegen nicht der Verjährung!

(Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 16.2.2011 - 19 U 180/10)

urbs-media Praxistipp: Da die beklagte Bank von der Möglichkeit der Revision beim Bundesgerichtshof keinen Gebrauch gemacht hat, ist das Urteil nunmehr rechtskräftig. Wie der Anwalt des siegreichen Klägers gegenüber der Presse erklärte, hat sein Mandant aber bisher immer noch kein Geld erhalten.

Was lehrt uns nun dieser zugegebenermaßen nicht alltägliche Fall? Banken und Sparkassen vollen offenbar immer nur das Beste für ihre Kunden, und das möchten sie offenbar auch am liebsten für immer behalten. Das Urteil aus Frankfurt jedenfalls ist eine Ohrfeige für diejenigen Kreditinstitute, die so genannte "vergessene Sparbücher" stillschweigend nach Ablauf einer gewissen Frist als "außerordentlichen Gewinn" ihrem Vermögen zuführen.

Der Auszahlungsanspruch bleibt sogar dann erhalten, wenn die 50-jährige Aufbewahrungsfrist der Kreditinstitute für Kontounterlagen abgelaufen ist. In diesem Fall hat das Oberlandesgericht Frankfurt folgende Beweislastregelung aufgestellt:

  • Bestreitet eine auf Auszahlung eines Sparguthabens in Anspruch genommene Bank, dass die im Sparbuch vorhandenen Unterschriften von zeichnungsberechtigten Mitarbeitern der Bank stammen, hat sie im Rahmen der sekundären Darlegungslast die seinerzeit zeichnungsberechtigten Mitarbeiter namhaft zu machen und die Unterschriftenliste vorzulegen.

  • Das gilt auch dann, wenn die Bank nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist - hier nach etwa 50 Jahren - die entsprechenden Unterlagen nicht mehr auffinden kann.

  • Erst dann, wenn die Bank die zeichnungsberechtigten Mitarbeiter namhaft gemacht und die Unterschriftenliste vorgelegt hat, hat der Bankkunde die Unterschriften im Sparbuch einem vertretungsberechtigten Mitarbeiter der Bank zuzuordnen und die Echtheit zu beweisen.
Schade nur, dass die Bank den Weg zum Bundesgerichtshof nicht angetreten hat. Denn auch dort wäre sie mit ihrer "Meine Meine Meine - Strategie" mit Sicherheit gescheitert. Und so fehlt es in dieser wichtigen Frage weiterhin an einer höchstrichterlichen Entscheidung. Im Zweifelsfall werden die Banken daher auch weiterhin die Besitzer von "vergessenen Sparbüchern" schlichtweg enteignen und darauf hoffen, dass niemand den "Diebstahl" bemerkt! Da fühlt man sich doch glatt wieder an den Ausspruch von Macki Messer in Brechts Dreigroschenoper erinnert: "Was ist ein Einruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?"



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